Was soll denn aus ihr werden?
Und das ist dein Kind, bist du auch eine Dorothea? Gib mir die Hand!«
Dori erwiderte den Händedruck des Alten und bejahte seine Frage. »Wie sollte ich Euch nicht mehr kennen, Melchior, Ihr seid ja noch immer ganz der gleiche«, sagte Dorothea wieder.
»Aber welch ein Nelkenreichtum! Was sind das für Prachtsblumen, sieh doch, Dori!«
In voller Bewunderung standen die beiden vor dem übergroßen, in allen Farben schimmernden Nelkenstrauß. »Die hab' ich gut überwintert, nicht? Da, junges Blut, die bring' ich dir, zu deinem Fest«, sagte Melchior, Dori den Strauß überreichend. »Ich wäre schon früher gekommen, dich zu begrüßen«, fuhr er, zu Dorothea gewandt, fort, »aber ich kam nie so weit. Ich war oben in Sint den Winter, da kommt man nicht so leicht herunter. Aber ich habe gehört, daß deine Tochter zum Osterfestin die Gemeinde eintritt. Zu dem Feste wollte ich dich und sie begrüßen.«
Dori konnte erst jetzt recht danken für ihre schönen Blumen, die, in eine große Schüssel eingestellt, wie ein volles Nelkenbeet aussahen. »So etwas kann nur ein Gärtner zustande bringen, während draußen der Schnee noch alle Pflänzlein unter seiner dicken Decke in den Boden bannt«, sagte Dorothea, die duftenden Blumen mit immer neuem Entzücken von allen Seiten betrachtend.
»Ja wohl, ein Gärtnermeister hat sie zustande gebracht, aber nicht etwa ich, Dorothea«, wandte Melchior lächelnd ein, »aber daß ich des großen Gärtners Handlanger sein darf, darüber freue ich mich jeden Tag meines Lebens; es ist ein schöner Beruf.«
»Ich glaube, der hat Euch so jung erhalten, Melchior«, sagte Dorothea, »ich muß nur immer staunen, wie wenig Ihr Euch in den zwanzig Jahren verändert habt. Eure Augen glänzen wie die eines Jünglings.«
»Das hängt mit meinem Beruf zusammen, da hast du recht, Dorothea«, bestätigte Melchior. »Jedes Frühjahr werde ich wieder jung mit meinen jungen Pflänzchen, denn da bin ich so glücklich über all das neue Leben, das als das größte Wunder wieder vor meinen Augen entsteht, und das Wunder erfahr ich auch in meinem Herzen und danke dem lebendigen Gott dafür, daß er den Tod nichts festhalten läßt; denn der Lebenskeim geht mit dem Absterbenden in die Erde hinein, und ich weiß schon, wie es aussieht, wenn es wieder aufersteht. Und zu meinen jungen Pflänzchen sag ich fröhlich jedes Jahr: So, Kinder, nun müssen wir recht wachsen und gedeihen miteinander das Jahr durch, daß ein jedes von uns seinem Gärtner Ehre mache, ich dem Meister, ihr dem Handlanger, damit jeder, der uns ansieht, sagen muß: Die sind in einer guten Hand. So messe ich mich das ganze Jahr durch mit ihnen, und das bringt mich auf viele heilsame Gedanken. Und muß ich mich einmal niederlegen, Dorothea, dann denk ich: der Gärtnermeister weiß jetzt schon, wie er den Lebenskeim wieder auferstehen läßt, der in die Erde muß, so wie ich es von meinen Pflänzchen weiß, und ich bleibe fröhlich und sicher, denn ich bin in einer guten Hand.«
Dorothea wollte den alten Freund nicht fortlassen, ohne daß er die übliche Kaffeestunde mit ihr und der Tochter zugebracht hätte. Sie ging auch gleich, die nötigen Vorbereitungen zu dem gemeinsamen Genusse zu treffen, und wies Dori an, mit ihrem Gast und alten Freund unterdessen Bekanntschaft zu schließen.
»So komm, wir wollen der Mutter folgen«, sagte dieser, indem er sich setzte und einen andern Stuhl neben den seinigen rückte, damit Dori sich darauf niederlasse. »So sag mir nun, wie du's hast: Bist du froh, den Unterricht zu verlassen, oder hast du im Sinn, ihn mitzunehmen und darin zu bleiben, wo du auch weiterhin im Leben sein magst?«
Dori schaute erst ein wenig nachdenklich den Frageran, dann sagte sie: »Ich nehme immer alles mit mir, was ich gelernt habe, und lasse nichts zurück, denn ich bin froh über alles, was ich weiß.«
»Da hast du recht, denn Lernen und Wissen ist eine schöne Sache. Es gibt aber noch etwas Besseres«, setzte Melchior nach einer Weile hinzu.
Er schaute Dori fragend an dabei. »Ich weiß nicht, was Ihr meint«, sagte sie.
»Welcher hat es besser«, fragte Melchior weiter, »einer, der im kalten Kellerloch sitzt und nicht heraus kann, wohl aber weiß, daß draußen die Sonne lieblich warm auf alle Pflänzlein niederscheint: oder einer, der draußen im lichten Sonnenschein sitzt und die warmen Strahlen in allen Gliedern bis ins Herz hinein empfindet? Was meinst du?«
»Nun, ich denke, der letztere«, sagte Dori
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