Was soll denn aus ihr werden?
Aufforderung gemäß am andern Tag erschien, sehr kurz empfangen. »Ich habe dir noch eines zu sagen«, begann die Nonna, als Dori sich zu ihr gesetzt. »Du denkst bei unserer Sache nur an dich, oder du denkst vielleicht gar nichts, sondern leichtfertig und eigensinnig und ohne Überlegung willst du ein Anerbieten zu einer schönen und ehrenhaften Lebensstellung wegwerfen. Du hast aber an jemand dabei zu denken, an deine Mutter, das ist deine Pflicht. Sie wird älter und ist an keine feste Arbeit gewöhnt, wie du auchnicht. Ihr habt gerade genug, wenn ihr nichts begehrt, als so zu leben, daß ihr nicht Hungers sterben müßt. Kommen kranke Tage für eines von euch, oder sonst Unfälle, so seid ihr zu beklagen, und den Jammer deiner Mutter kannst du dann anhören mit dem Bewußtsein: Ich hätte ihr ein anderes Los bereiten können. Du hast es in der Hand, deiner Mutter für ihr ganzes Leben die schönsten Tage zu bereiten, dieser Frau, die von Herzen gut ist, aber die von Sorgen und Kummer gleich ganz umgeworfen wird, denn sie hat keine Kraft, solche zu tragen. Nun habe ich genug gesprochen in der Sache. Du hast zu überlegen, noch hast du Zeit, denk an meine Worte, bevor du leichtfertig und im Übermut handelst.« Die Nonna gab Dori die Hand zum Zeichen, daß die Unterhaltung fertig sei und die Erklärungen, die Dori machen wollte, unnütz seien.
Dori ging.
Unten vor ihrer Türe stand die Base Kathrine und sagte in trockenem Tone zu der Herunterkommenden: »Du kannst einen Augenblick herüber kommen; Marie Lene ist drinnen, wir haben dir ein Wort zu sagen.«
Dori trat ein.
»Wenn es dir der Hochmut nicht zuläßt, Niki Samis Frau zu werden«, fuhr Frau Kathrine fort, »weil du annimmst, für dich wäre einer gerade recht, wenn er eine Krone auf dem Kopf trüge, so will ich dir nur das sagen, für dich und deine Mutter, die zu schwach ist, dich auf den rechten Weg zu stellen: ihr müßt niemals denken, daß ihr noch einen einzigen Verwandten für euch habt, an dem ihr euch im Fall der Not, und der wird schon kommen, festhalten könnt. Was aus dir werden soll, wenn deine Mutter nicht mehr da ist, wirst du wohl selbst nicht wissen, aber erfahren wirst du's dann, wenn du mutterseelenallein dastehst.«
»Ein unnützes Geschöpf, das zu keinem Menschen gehört, und das kein Mensch nötig hat, das wird aus dir«, setzte Marie Lene hier ein, »aber das glaub nur, kein Mensch wird mit dir Mitleid haben, du hast es so gewollt, denTrost hast du, für dich und deine Mutter hast du's gewollt. Die arme, schwache Mutter, die hätte es freilich gern anders, wenn es die Tochter ihr gönnte. Denk dann einmal daran, daß die Basen es dir vorhergesagt haben, ein unnützes Geschöpf wirst du.«
»Kann ich jetzt gehen?« fragte Dori, mit der Hand auf dem Türschloß.
»Wenn du zugehört hast, als wir zu dir sprachen, so weißt du, woran du bist«, entgegnete Frau Kathrine.
»Ja, ich habe zugehört«, sagte Dori, und ging. Als sie in ihre Stube eintrat, saß die Mutter, den Kopf in die Hände gelegt, so tief in ihr Sinnen versunken, daß sie Doris Eintreten nicht einmal bemerkte. Waren denn die schweren Gedanken und Sorgen und die Verzagtheit schon bei ihr eingekehrt, und sollte nun wieder eine so traurige, trostlose Zeit kommen, wie sie nach des Vaters Tode eingetreten war? Eine Zeit, die Dori nie vergessen hatte. Das Herz wollte ihr stille stehen bei dieser Voraussicht. »Mutter, warum mußt du denn solchen Kummer haben?« rief Dori schmerzlich aus, »es ist ja doch kein Unglück, es war doch etwas ganz anderes, als wir den Vater verloren.«
Dorothea war aufgefahren, sie ergriff die Hand ihres Kindes: »Ach, das ist ja immer der erste Grund alles meines Kummers«, sagte sie, indem sie wirklich mit einem Ausdruck der alten Verzagtheit auf Dori blickte. »Ja, wenn er da wäre, dein Vater, da wäre alles augenblicklich im klaren und alles wäre gut. Aber ich sinne und sinne und weiß nicht, was das Rechte ist, und ich habe die Verantwortung für dich, das sagen sie mir alle und sie haben recht.«
»Nein, nein Mutter, ich habe ja die Verantwortung für dich, das haben sie mir so gezeigt, daß ich es schon einsehe«, entgegnete Dori lebhaft, »für mich hätte ich ja gar keinen Zweifel, es kommt mir immer ärger vor, je mehr davon geredet wird. Ich schäme mich, wenn ich nur daran denke, daß ich sagen könnte: Ich will Niki Samis Frau sein, und im Herzen steht es mir ganz deutlich: Ichmag nicht mit ihm sein, ich habe ihm gar nie
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