Was soll denn aus ihr werden?
erlebt man nicht dasselbe, am wenigsten so was Schönes, wie meine Unterrichtsstunden waren. Und dann gehen Sie nun in Ihre große Stadt zurück, da werden Sie gleich so schrecklich viel zu tun haben, und so viele, viele Menschen werden Sie in Anspruch nehmen, daß Sie gewiß nicht einmal mehr Zeit finden werden, nur einen Gedanken noch zu uns herauf zu schicken.«
»Das letztere ist mir nicht so gewiß wie Ihnen«, entgegnete mit einem letzten Händedruck der Doktor. Dann trat er hinaus und bestieg seinen Wagen.
Im Haus an der Halde folgten einige so stille Tage, daß man hätte glauben können, das Haus sei völlig ausgestorben. Niemand ging ein, niemand ging aus. Am Fenster gegen den Pisoc hin, um den jetzt immer öfter die grauen Wolken lagerten, denn der August war nicht sonnig eingezogen, saßen Dorothea und ihre Tochter schweigend bei ihren Handarbeiten. Jede von ihnen ging ihren Gedanken nach, zu reden trieb es weder die eine noch die andere. Jeden Tag einmal kam ein kleines Gespräch vor, das immer fast wörtlich sich wiederholte. So fing Dori auch heute, von ihrer Arbeit aufschauend, an: »Mutter, wollen wir nicht wirklich heut die bestimmte Antwort an Niki Sami schicken? O, wenn doch diese Unsicherheit vorbei wäre!«
Dorothea erschrak, wie jedesmal bisher, wenn Dori ihre Frage vorbrachte. »Ach, Dori, eile nur nicht«, bat sie ängstlich, »nachher kannst du ja nicht mehr zurück. Denk' doch noch recht über alles nach, es könnte dir doch noch anders werden mit der Zeit, mach nur nicht so schnell fertig.«
Dori fielen die Verzagtheit und die Angst der Mutter als eine schwere Last aufs Herz. Sollte die Nonna wirklichrecht haben? Würde die Zeit kommen, da sie sich selbst bittere Vorwürfe machen müßte um ihrer Mutter willen? Hoffte diese doch darauf, daß ihre Gedanken sich ändern, wenn sie es auch nie ausgesprochen hatte? War es wirklich ihre Pflicht gegen die Mutter, daß sie so etwas tun sollte – so etwas – mit Niki Sami ihr ganzes Leben zubringen, für immer – immer? –
Dori sprang auf, sie konnte dem Gedanken nicht mehr stille halten, sie lief zur Tür hinaus, ins Freie. Da kehrte sie in Hast noch einmal zurück und rief in flehendem Ton in die Stube hinein: »Sag es ihm, Mutter, daß ich nicht kann. Denn ich kann nicht! Ich kann nicht!« Sie stürzte hinaus.
Gleich darauf trat Niki Sami herein; Dori mußte ihn noch erblickt haben. »Grüß Gott, Base, war das Dori, die den Fußweg hinunterrannte, eben jetzt, als ich auf der Straße herankam?« fragte er schnell.
»Ja, ich denke, es war sie. Setz dich, Vetter«, sagte Dorothea, ihn begrüßend.
»Nein, nein, dann will ich sie zurückholen. Ich will nun einmal von ihr selbst hören, was sie sagt. Die Basen drunten haben mir so verworrenes Zeug gesagt, von dem glaub' ich kein Wort.«
Niki Sami wollte wieder zur Tür hinaus, aber Dorothea hielt ihn fest. Sie sagte, Dori laufe gewiß so drauf los, daß er sie doch nicht mehr erreiche, aber sie selbst könne ihm die Antwort geben, es sei noch besser so, daß sie beide so ganz ruhig miteinander reden. Dem Niki Sami war es auch recht so. Er setzte sich zu Dorothea hin. Sie begann: »Sieh, Vetter, es wird mir schwer, dir es zu sagen, aber Dori kann sich nicht zu der Heirat entschließen.«
In ungläubiger Verwunderung riß Niki Sami seine Augen auf. »Das wird wohl nicht so ernst gemeint sein«, sagte er dann. »Habt Ihr denn der Tochter nichts von allem gesagt, was ich Euch aufgetragen habe, wie sie es bei mir haben kann und was dann alles ihr Eigentum wird?«
»Sie fragt dem allem wenig nach, es nützt nichts, ihr viel davon zu sagen«, entgegnete Dorothea.
»Freilich nützt's, wenn sie's nicht weiß. So dumm ist die noch lang nicht, daß sie nicht verstünde, was es ist, wenn man ein Leben führen kann, wie man will und daß man sich wohl sein lassen kann, wenn man hat, was man braucht dazu. Soviel ich von der Nonna weiß, habt Ihr nicht zuviel zu brauchen, Base.« Niki Sami rasselte unwillkürlich ein wenig in seinen Taschen.
»Wenn aber Dori nicht mehr und nichts anderes begehrt, als was sie sagt, so hat sie eben genug und fragt dem, was drüber hinausgeht, nicht viel nach, Vetter.«
»Daran seid Ihr schuld! Das ist, weil sie's nicht besser kennt und weiß«, warf Niki Sami vorwurfsvoll hin. »Da hat die Base Marie Lene recht, Ihr habt Eure Tochter nur so aufwachsen lassen, wie eine Rübe im Feld, Ihr könntet's doch besser wissen.«
Jetzt ging ein leises Lächeln über
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