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Was soll denn aus ihr werden?

Was soll denn aus ihr werden?

Titel: Was soll denn aus ihr werden? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Worte auf, die ihr Vater einmal in seinen letzten Tagen ausgesprochen und die ihr einen tiefen Eindruck gemacht hatten. Es war ganz dasselbe, was Melchior hier sagte und wie die Großmutter vom Beten gesprochen hatte. Und das Lied klang wieder an ihr Ohr, das sie von dem Fräulein kennen gelernt und dem Vater noch gesungen hatte, es war dasselbe Flehen: »Nimm meine Hand«. »Ja, wennman doch so zu einem Vater um Hilfe rufen dürfte! stieg es verlangend in ihrem Herzen auf. Sie hatte nie so gebetet. Sie hatte immer einen Spruch oder einen Liedervers gesprochen, bevor sie einschlief, das war sie gewohnt, das mußte man tun als letztes Tagesgeschäft. Aber in diesem Augenblick kam ihr das Wort, das sie in früherer Zeit so oft gesungen, ganz neu vor, wie ein Gebet, ganz besonders für sie gemacht und für alle diejenigen, die wie sie so weit unten in der Traurigkeit lagen und oben die Sonne in Licht und Freude schimmern sahen und sie nicht mehr erreichen konnten, das flehende Wort: »Nimm meine Hand!«
    »Du mußt lang nachsinnen über mein Wort. Kommt es dir so fremd vor, Dori?« fragte Melchior. »Weißt du, was der barmherzige Helfer uns verkündigt hat? Daß wir sagen dürfen: Unser Vater, der du bist im Himmel! Weißt du, was ein Vater ist, und wie man bei einem Vater Hilfe holen kann?«
    Jetzt flammten Doris Augen auf: »Ja, gewiß weiß ich, was ein Vater ist, das weiß ich wohl!« rief sie aus. »Wenn mein Vater noch lebte, wüßte ich wohl, wo Hilfe holen, dann dürften sie mir nicht sagen, ich sei ein unnützes Geschöpf, ja, dann wüßte ich wohl, wo mich hinwenden, und wo Schutz und Hilfe zu finden.« Vor Erregung stürzten Dori die Tränen aus den Augen.
    Melchior schnitt an seinen Gesträuchern herum, bis Dori sich wieder gefaßt hatte, dann sagte er: »Wer so gut weiß, wie du, was es ist, einen liebenden Vater zu verlieren, der müßte einer der glücklichsten Menschen sein, wenn er es recht erfassen könnte, daß er einen solchen Vater im Himmel hat, den er nie verlieren kann, wenn er sein Kind sein will. Möchtest du ihm nicht auch angehören als sein Kind?«
    »Doch«, erwiderte Dori, »aber ich weiß nicht, wie Ihr es meint, unserm Vater im Himmel gehören doch alle Menschen an als seine Kinder.«
    «Ja, ja, Dori, das ist schon recht, als das kommt jedesvon uns zur Welt, da hast du schon recht«, bestätigte Melchior. »Wenn es dir aber damals beim Vater in der Heimat nicht gefallen hätte, immer so unter seinen Augen zu stehen und zu tun, was er von dir wollte –«
    »O, der Vater hatte mich so lieb, er mochte von mir wollen, was er wollte, so merkte ich, daß er es tat, um mir Gutes zu tun, warum hätte ich nicht unter seinen Augen stehen wollen?« warf Dori rasch dazwischen.
    »Ich habe mir's gedacht, es sei ein solcher Vater gewesen, so kannst du um so besser empfinden, was es ist, einen liebenden Vater im Himmel zu haben, der uns auch nur Gutes tun will«, fuhr Melchior gelassen weiter. »Aber nimm nur einmal den Fall an, es wäre möglich gewesen, du hättest einmal tun wollen, was dir allein gefiel, und du hättest dein eigener Herr und Meister sein wollen, so hättest du ja die Freiheit gehabt, fortzulaufen, weit weg von des Vaters Beaufsichtigung, und deinen eigenen Weg zu gehen. Wenn du dann nach Jahren in eine große Not gekommen wärest, aus der niemand dir helfen konnte und wollte, und du hättest dich an die Liebe deines Vaters erinnert, wie der dir immer half und helfen konnte, hättest du da gleich das frohe Gefühl gehabt, der ist mein Vater, ich bin sein Kind, der wird mir helfen? Hätte dir da nichts dazwischen gelegen, das dich von ihm trennte, so als wärest du ja gar nicht sein Kind geblieben?«
    Dori sah sinnend vor sich hin.
    Der Gärtner schnitt an seinen Zweigen weiter.
    »Ja, ich verstehe Euch, Melchior«, sagte sie nach einer Weile. »Und wenn man so für sich gelaufen ist, wie kommt man dazu, denken zu dürfen, ich bin doch das Kind, und er will mein Vater sein, zu dem ich um Hilfe rufen darf?«
    »Der es uns zuerst gesagt hat, daß wir einen liebenden Vater im Himmel haben, der muß es wissen«, entgegnete Melchior. »Geh du seinen Worten nach, es ist jedes wie für dich geschrieben. Du wirst wohl manches davon schon im Unterricht gehört haben; aber wenn du die Worte somit dem Verlangen liesest, daß sie dir Antwort geben möchten, und sie das tun und in dir zur lebendigen Wahrheit werden, die du an dir selbst erfährst, und sie dich dann zum fröhlichen Kinde machen

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