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Was soll denn aus ihr werden?

Was soll denn aus ihr werden?

Titel: Was soll denn aus ihr werden? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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alles bitten, und ihm alles vorlegen konntest? Noch viel anders ist's, den Allmächtigen im Himmel als seinen Vater zu kennen und für sich zu haben.«
    »Ob ich's noch weiß, wie's war, ob ich's noch weiß«, sagte Dori mit freudestrahlenden Augen; »o die Sicherheit und das Vertrauen wieder im Herzen zu haben! O Melchior, Ihr habt mir gute Worte gesagt, ich danke tausendmal! Ich seh' Euch wohl bald wieder, nun muß ich gehen.«
    Dori drückte dem Alten mit großer Herzlichkeit die Hand und lief nach der Straße hinauf.
    Dorothea berichtete der Heimgekehrten von Niki Samis Besuch und daß er an kein Abweisen glauben wolle.
    In Doris Herzen arbeiteten jetzt so viele Gedanken, die Melchiors Worte angeregt hatten, daß sie den Bericht der Mutter kaum vernahm und nichts erwiderte. In ihrer Kammer saß sie sinnend bis tief in die Nacht hinein. Ja, Melchior hat recht, kein größeres Glück kann es geben, als zu wissen, daß uns ein Vater lieb hat, der uns immer nah ist, zu dem wir immer gehen dürfen in aller Not und allem Leid, der immer helfen kann. Warum habe ich denn das Glück nicht im Herzen? Gehöre ich denn zu denen, die dem Vater fortgelaufen sind? Hier kam Dori wieder zu den Gedanken an ihren irdischen Vater zurück. Wie nahe hatte sie mit ihm gelebt! Es gab keine Zeit des Tages, da sie nicht mit ihm zusammenhing. Bei allem, was sie tat, wußte sie, ob es dem Vater lieb war oder nicht, sie dachte auch immer erst daran,bevor sie irgend etwas unternahm oder unterließ. Dori kam in ihren vergleichenden Gedanken immer tiefer hinein und durchschaute ihr eigenes Herz und Wesen mit so klaren Blicken, wie sie es nie zuvor getan hatte. Ja, so ist es, sagte sie sich: Ich bin weggelaufen von meinem Vater im Himmel und ich verdiene es, wenn er mich hilflos laufen läßt. Aber sie suchte doch nach Hilfe und in ihrem Herzen stiegen Worte auf, die sie lang gekannt, aber nicht so, als ob sie für sie selbst geschrieben wären, Worte für solche, die verdienten hilflos und verlassen zu bleiben, und doch sprachen die Worte von einem offenen Weg zu dem liebenden Vater zurück für alle. Dori faltete ihre Hände und flehte: »O auch für mich! Auch für mich!« Von jenen Worten hatte Melchior gesprochen, sie wollte seinem Rate folgen.

Sechzehntes Kapitel
    Dorothea bemerkte mit Freude, daß auf Doris Gesicht der alte Ausdruck kindlicher Fröhlichkeit, den die Mutter in der letzten Zeit vergeblich und oft mit schwerer Sorge gesucht hatte, wiedergekehrt war. Dori saß auch nicht mehr stundenlang schweigend und nachsinnend bei ihrer Arbeit, sie plauderte wieder fröhlich und nahm den alten Anteil an allen häuslichen Fragen und Bedenken der Mutter. Dorothea empfand ganz deutlich, daß in Dori aller Zweifel gewichen, daß sie ihres Weges völlig sicher war. Das nahm der Mutter viel von dem schweren Gewicht auf ihrem Herzen weg; das Gefühl ihrer großen Verantwortlichkeit drückte sie weniger nieder, seitdem sie die frohe Sicherheit in Doris Wesen täglich zunehmen sah. Es war an einem der letzten Augusttage, als vor dem Haus an der Halde von verschiedenen Seiten kommend die Base Marie Lene und der Gärtner zusammentrafen.
    »Wollt Ihr auch zur Dorothea hinein?« fragte Marie Lene, indem sie stille stand.
    Melchior nickte bejahend.
    »Ja, ich weiß wohl«, fuhr sie fort, »daß Ihr der gute Freund drinnen seid, bei der Alten und bei der Jungen, darum stünde es einem Propheten, wie Ihr seid, gut an, er würde den beiden einmal ein Licht aufstecken in einer Sache, in der sie sich zeigen wie die blinden Maulwürfe, sonst hätten sie schon lang ihr Glück mit beiden Händen erfaßt.«
    »Hm, dein Mann ist ein guter Fuhrwerker«, gab Melchior in seiner bedächtigen Weise zur Antwort. »Wie wär's, wenn du ihn fragtest, ob er nicht einmal seinen Ochsen mit einem Kanarienvogel zusammenspannen wolle, um zu sehen, wie die miteinander den Karren ziehen würden?«
    Marie Lene hatte einen Augenblick gestutzt, jetzt feuerte sie los: »Immer und ewig macht Ihr Gleichnisse! Wenn Ihr nur nicht meint, sie seien etwas wert. Aber diesmal habt Ihr etwas Gescheiteres gesagt, als Ihr dachtet. Was soll denn aus solch einer werden, die nichts kann, als was die Kanarienvögel können, und meint, singen und pfeifen und den Rosen nachlaufen sei genug getan für sie?«
    »Wie wir doch merkwürdig übereinstimmen, Marie Lene«, sagte Melchior lächelnd, »gerade das wollte ich meinem Vögelein drinnen sagen, darum kam ich her, und du wohl auch?«
    »Zu Dori sag'

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