Was Soll Ich Tun
Freundin, die vor einigen Jahren 50 wurde und deren alte Eltern kurz nacheinander gestorben sind, sagt mir immer, das Alter sei furchtbar. Es sei, wie in einen Abgrund zu blicken. Verfall und Trennung seien das Bestimmende. Ab 50 gehe es nur noch bergab, seelisch wie körperlich. Natürlich habe ich auch immer wieder Angst vor dem Alter, wenn ich zwischendurch bei Besuchen in einem Pflegeheim die verwirrten Menschen sehe. Wie kann ich dieser Freundin begegnen und ihr auch diese Angst nehmen?
Kann ich mich jetzt schon
auf mein Alter vorbereiten?
Die Angst vor dem
Älterwerden lädt uns ein,
uns über den Sinn
unseres Lebens
Gedanken zu machen.
Natürlich kann die letzte Phase des Lebens beschwerlich sein. Ich kenne aber auch alte Menschen, die sagen, sie seien noch nie so mit sich im Frieden gewesen wie jetzt mit 80 Jahren. Ich würde nicht einfach die Behauptungen der Freundin annehmen oder dagegen sprechen. Vielmehr würde ich sie persönlich fragen, wovor sie denn Angst habe und wie sie ihr Alter gerne leben würde. Das Alter stellt für uns bestimmte Aufgaben: uns auszusöhnen mit unserem Leben auch mit all dem Ungelebten und Unvollendeten, die Kraft und den Erfolg loszulassen und uns einzustimmen, dass unser Leben begrenzt ist. Der Gedanke an den Tod will uns einladen, bewusst im Augenblick zu leben, voll Dankbarkeit über das, was uns bisher geschenktwurde und voll Vertrauen, dass wir auch im Alter eine wichtige Aufgabe haben für diese Welt: dieser Welt die Ausstrahlung von Milde, Weisheit und Gelassenheit zu schenken. Sie können Ihrer Freundin nur die Angst nehmen, wenn Sie sich der eigenen Angst vor dem Älterwerden stellen und für sich eine Antwort auf diese Angst gefunden haben. Die Angst vor dem Älterwerden lädt uns ein, uns über den Sinn unseres Lebens Gedanken zu machen. Der Sinn des Lebens besteht nicht darin, immer voller Kraft und gesund zu sein, sondern durchlässig zu werden für Gottes Geist und Gottes Liebe. Darin besteht die Aufgabe des Älterwerdens: immer durchlässiger zu werden für Gottes Liebe, Milde und Freiheit.
Ich bin Mitte 40, von außen gesehen erfolgreich im Beruf, mit einer „normalen“ Familie, einer guten Beziehung. Trotzdem finde ich plötzlich alles fragwürdig, leer und sinnlos. Das soll alles gewesen sein?
Ich fühle mich wie mitten drin
und doch völlig daneben.
Die Verunsicherung in der
Lebensmitte ist heilsam.
Sie zwingt uns,
nach dem wahren Selbst
Ausschau zu halten.
Was Sie beschreiben, ist die typische midlife crisis, die Krise der Lebensmitte, die als erster Psychologe C. G. Jung beschrieben hat. Da stellen wir uns die Frage, ob das alles gewesen sein soll. Es ist gut, dass Ihnen alles fragwürdig, leer und sinnlos vorkommt. Das zwingt Sie, sich neu Gedanken zu machen über den Sinn Ihres Lebens. Welche Spur wollen Sie eingraben in diese Welt? Was ist Ihnen wichtig in Ihrem Leben? Was trägt Sie? Was sollten Sie relativieren und anders sehen, was Ihnen bisher wichtig war? Die Krise der Lebensmitte ist eine Aufgabe. Der deutsche Mystiker Johannes Tauler meint, das Gedränge, in das wir in der Lebensmitte geraten, möchte uns zwingen, von der Oberfläche in die Tiefe zu gehen, in unseren Seelengrund, um dort Gott zu entdecken und unser wahres Selbst. Er vergleicht die Lebensmitte mit einem gut eingerichteten Haus. Wir haben uns eingerichtet. Wir wissen, wie das Leben geht. Wir können nach außen hin gut auftreten. Aber wir haben unsere Mitte verloren, wir haben unsere Seele verloren. So kommt Gottselbst in unser Haus. Und er macht es wie eine Frau, die etwas sucht. Sie stellt die Stühle auf den Tisch und rückt die Schränke von ihrem Platz, um – wie es das Gleichnis Jesu von der verlorenen Drachme uns vor Augen führt (Lk 15,8-10) – die Drachme, das wahre Selbst, zu suchen. In der Krise der Lebensmitte geht es darum, unser wahres Selbst zu suchen, das verschüttet ist unter all dem Oberflächlichen, mit dem wir uns herumschlagen. Die Verunsicherung in der Lebensmitte ist also heilsam. Sie zwingt uns, nach dem wahren Selbst Ausschau zu halten und uns über den Sinn unseres Lebens Gedanken zu machen. Ab der Lebensmitte – so meint C. G. Jung – bleibt nur der lebendig, der mit seiner spirituellen Sehnsucht in Berührung kommt, der bereit ist, nach innen zu gehen und nach dem zu suchen, was ihn übersteigt, letztlich nach Gott, dem eigentlichen Ziel seines Lebens. Nehmen Sie also Ihre Gefühle ernst und stellen Sie sich der Herausforderung,
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