Was uns glücklich macht - Roman
gebrochen hat. Vielleicht hängen die beiden zusammen. Wäre ich über ihn hinweggekommen, hätte das womöglich einem neuen Mann, einer echten Beziehung die Tür geöffnet, und das kann man nicht, ohne sich selbst verletzbar zu zeigen. Und so sind wir wieder am Anfang. Wenn man die Liebe ins Leben lassen möchte, muss man bereit sein, dafür zu leiden, und statt das zu riskieren, habe ich mich lieber dazu entschlossen, wegen eines Mannes zu leiden, der mich zwei Jahrzehnte nicht mehr geliebt hat. Es klingt dumm, was mich fuchsteufelswild macht, denn ich bin absolut nicht dumm, aber so habe ich gelebt, und deswegen bin ich jetzt nicht nur verängstigt, sondern auch wütend und voll Reue. Es gibt nichts, was einen mehr schwächt als Reue, und keinen schlimmeren Ärger als den, der gegen einen selbst gerichtet ist. Und mit alldem schlage ich mich zurzeit herum, zusätzlich zum Krebs.
Was ich wohl sagen will: Ich bin echt am Ende.
Folgendes ist passiert: Ich wurde vierzig und beschloss, dass ich einen Urlaub brauche. Das klingt vielleicht nicht besonders aufregend, aber ich fahre nie in Urlaub. Nach meinem Wirtschaftsstudium habe ich praktisch 365 Tage im Jahr gearbeitet, weil ich nie wollte, dass die Arschlöcher, mit denen ich zusammenarbeite, das Gefühl bekommen, sie würden mehr arbeiten als ich.
Aber dieses Jahr bin ich vierzig geworden, und ich habe mich auf ein Blind Date eingelassen. Ich will euch nicht mit den Einzelheiten langweilen, ich will nur sagen, es war so schlimm, dass ich danach beschloss, Urlaub zu nehmen. Ich fuhr nach Colorado in die Berge und habe mich verliebt, erst in die Berge, dann in einen Mann namens Stephen. Ich bin ihm unterwegs auf einer Wanderung begegnet, und dann hat er mich zum Essen ausgeführt. Er hat mich nicht in irgendein Restaurant eingeladen, sondern in einen Schuppen, wo es Burger statt Filet Mignon gab, das Besteck war in Papierservietten gewickelt, und zu trinken hat man nicht beim Sommelier bestellt, sondern am Tresen. Ach, und sein Hund kam auch mit und wartete draußen auf uns. Es war herrlich. Ich habe Burger gegessen, Pommes, Krautsalat und eingelegte Gurken, ich habe drei Bier und drei Cola getrunken, und wir haben Darts gespielt und im Fernsehen Baseball geschaut. Danach sagte er, er wollte mir seinen Lieblingsort in Aspen zeigen. Er gab mir die Leine, und dann machten wir drei uns zu Fuß auf den Weg, einen großen Hügel hinunter zu einem Park, gerade als die Sonne hinter den Bergen verschwand. Wir gingen über eine große Wiese, wo ein paar Kinder Fußball spielten und eine Gruppe Teenager Skateboard fuhr. Immer weiter ging es, über weiches Gras, und dabei haben wir uns ganz ungezwungen unterhalten, ohne verlegene Pausen. Es war alles so einfach – was wirklich nicht oft vorkommt bei einem Mann, den man kaum kennt, mit dem man aber unbedingt ins Bett will.
Wir überquerten eine kleine Brücke, die über ein rauschendes Flüsschen führte, und betraten den Park. Der Kies auf den Wegen knirschte unter unseren Füßen. Stephen deutete nach links zu einem Pfad und sagte mir, ich sollte vorausgehen, er käme gleich nach. Ich sollte es mir allein und in Ruhe ansehen. Er ließ die Hündin von der Leine, und sie lief voraus. Noch einmal zeigte er mit dem Finger und sagte: »Geh ihr nur nach, sie kennt den Weg.« Aber ich machte mir Sorgen, wie mein Hintern aussehen würde, wenn ich vor ihm ging, und so hängte ich mich stattdessen bei ihm ein und sagte: »Gehen wir zusammen«, und das taten wir, mitten ins John Denver Sanctuary.
Und damit betrat ich den friedlichsten, wunderbarsten, erhebendsten Ort, an dem ich je gewesen war. Ein Bach gurgelte vorüber, ein Seitenarm des Flüsschens. Auf einer Wiese sind große Steine verteilt, auf denen man sitzen kann, dazwischen größere, aufrecht stehende Steine, auf die die Liedtexte eingemeißelt sind. Und falls ihr die Texte nicht kennt, sie sind wunderschön, mehr wie Poesie als wie Musik.
Wir setzten uns in der Mitte auf den Boden, ich schloss die Augen und atmete die Bergluft tief ein. Dann öffnete ich die Augen wieder, und Stephens Gesicht war dicht vor meinem, und er küsste mich, ohne mich um Erlaubnis zu fragen. Und ich fasste ihn am Hinterkopf und erwiderte den Kuss, so leidenschaftlich ich konnte. Wir haben direkt auf dem Gras herumgemacht, es war gerade noch so viel Tageslicht da, dass man noch etwas sehen konnte, im Ohr hatten wir das Rauschen des Wasserlaufs. Und ich dachte, dass ich noch nie Sex in der
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