Was uns glücklich macht - Roman
er, »aber die Entscheidung sollte Ihnen doch leichtfallen.«
Aber darin irrt er. Die Entscheidung fällt mir überhaupt nicht leicht.
Und so legte ich mich an diesem Tag wieder in die Wanne. In letzter Zeit verbringe ich dort mehr und mehr Zeit. Vielleicht weil mir dauernd kalt ist und mich das heiße Wasser innerlich wärmt. Oder vielleicht weil ich mich unrein fühle, als wäre etwas an mir, in mir, und nichts verleiht einem ein saubereres Gefühl als ein heißes Bad.
Dann kam Scott nach Hause.
Er war so glücklich, mich zu sehen. Er sagte, er hätte das Gefühl, Jahre weg gewesen zu sein, und dass er mich so vermisst hätte, und ich sagte, mir ginge es genauso. Er wollte unbedingt seine Kinder drücken und dann seine Frau, und zwar in dieser Reihenfolge und auf sehr verschiedene Arten, und das tat er, und es fühlte sich wunderbar an, begehrt zu werden. Wir schlichen uns nach oben, während die Kinder mit ihren Hausaufgaben beschäftigt waren, und haben es im Ankleideraum gemacht, ich über die Kommode gebeugt, er verzweifelt bemüht, das Stöhnen zu unterdrücken. Die ganze Zeit hatte er mich fest an sich gedrückt, und ich konnte alles spüren, wie ich schon lange nichts mehr hatte spüren können. Und zehn Minuten später war ich gewaschen und wieder unten und half den Kindern bei den Rechenaufgaben. Und alles war genau so, wie es sein sollte. Ich hatte mein vollkommenes Leben zurück. Ich konnte es einfach nicht zerstören, nicht an diesem Abend. Irgendwann vielleicht, aber nicht gerade jetzt. Dieser Abend war für die Vollkommenheit geschaffen, und dabei gibt es keinen Raum für Krebs. Das war vor zehn Tagen. Und inzwischen läuft alles wieder fast wie früher. Mein Mann will mich am Morgen, bevor er zum Zug sprintet, meine Kinder brauchen jemanden, der ihnen Mittagessen kocht, ihnen Zöpfe flicht und ihre Streitereien schlichtet, mein Hund braucht Spaziergänge und Streicheleinheiten und bietet dafür bedingungslose Zuneigung, und wenn ich mal Zeit für mich habe, lege ich mich in die Badewanne, aale mich im heißen Wasser, das ich inzwischen fühlen kann, vielleicht nicht in seiner ganzen Intensität, aber doch sehr viel stärker als noch vor einer Woche. Ich hatte eine Lumpektomie, und sie hat eine Narbe hinterlassen, nichts Großes, nichts, was meinem Mann bisher aufgefallen wäre. Wenn er sie bemerkt und nachfragt, werde ich sagen, man hätte mir eine Zyste entfernt. In meinem Leben ist einfach kein Platz für Krebs, und ich will keinen dafür schaffen, denn das würde alles verändern, und ich will die Dinge so beibehalten, wie sie sind. Ich habe mein ganzes Leben daran gearbeitet, alles perfekt hinzubekommen, und ich bin nicht bereit, den Krebs hereinzulassen und mir von ihm alles kaputt machen zu lassen.
Und wenn ich allein bin, wenn ich in der Wanne liege, schwanke ich zwischen Weinkrämpfen und intensiver Freude, weil ich habe, worum ich bat, als das alles begann. Ich habe gestern bekommen und den größten Teil von heute. Was könnte eine Frau sich sonst noch wünschen?
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Persönliche Nachricht
Von: Samantha R.
An: Brooke B.
BrustKrebsForum.org
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Nun, du hattest recht, ich verstehe es nicht.
Du bist eine intelligente Frau, Brooke, denn niemand kann sich sein Leben wie du ganz nach den eigenen Wünschen einrichten, ohne sehr klug zu sein. Aber vielleicht ist es bei dir ähnlich wie bei mir: Ich konnte erst nicht sehen, wie gut es für mich war, dass mein Mann sich so schnell als Mistkerl entpuppte, und du, glaube ich, merkst gar nicht, wie fest du die Augen vor der Realität verschließt. Du kannst nicht einfach so tun, als hättest du keinen Krebs. So funktioniert das Leben nicht. Ein Spezialist hat dir gesagt, dass du Chemo- und Strahlentherapie brauchst, das kannst du doch nicht einfach übergehen. Du musst ganz gesund werden. Du musst das für deinen Mann tun und für deine Kinder, vor allem aber für dich selbst.
Hast du Angst, dass dein Mann nicht damit zurechtkommt? Hast du Angst, dass es deine Ehe belastet? Hast du Angst, dass er dich nicht mehr lieben könnte? Denn so klingt es für mich beinahe, und wenn das der Fall ist, kann ich dir sagen, was eine Frau sich sonst noch wünschen könnte: Eine Frau könnte sich einen Mann wünschen, der mit dieser Geschichte zurechtkommt.
Du musst das tun, Brooke. Wie kann ich dir helfen?
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Persönliche Nachricht
Von: Brooke B.
An: Samantha R.
BrustKrebsForum.org
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Mir helfen? Was um alles in
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