Was uns nicht gehört - Roman
fest, fest und noch ein bisschen fester, so lange, bis Maria ihre Hand schließlich unter meiner hervorzog, vorsichtig, dass es mir wie ein Streicheln vorkam.
«Bis gleich», sagte sie leise, «lauf mir nicht davon.»
Maria stieg aus, und ohne sich noch einmal nach mir umzudrehen, war sie wenig später im Eingang des Altersheims verschwunden.
Ich wartete auf dem Beifahrersitz, und als mir das Warten zu lang wurde, legte ich mich hinten aufs Bett. Ich spürte, wie ein später Mittagshunger in mir aufzusteigen begann, und wollte gerade schon bereuen, dass ich mich nicht wie Maria im Sportlerheim mit ein paar Hähnchenkeulen versorgt hatte, als mit bewusst wurde, dass ich so an dem Einbruch strenggenommen gar nicht beteiligt gewesen war. Weder hatte ich den Stein geworfen noch hatte ich das Buffet geplündert, und solange ich die Flasche mit dem Remy Martin nicht anrührte, konnte mir niemand etwas am Zeug flicken. Beruhigt schloss ich die Augen, aber schon im nächsten Moment schmeckten meine Gedanken schal. Wer war ich, dass ich mich wie ein mieser kleiner Feigling hinter Maria versteckte? Niemand war uns auf den Fersen, und ich versuchte bereits, mich auf ihre Kosten aus jeglicher Verstrickung herauszureden. Ich griff nach der Flasche Remy Martin, die neben dem Bett auf Marias Konzerttasche lag, und nahm einen kräftigen Schluck, und obwohl der Alkohol meinen leeren Magen kurz zusammenkrampfen ließ, gleich noch einen zweiten hinterher.
Als Maria zurück in den Wagen kam, war ich eingeschlafen. Ein kurzer Dämmer nur, halb des Remy Martins und halb wohl auch der durchsessenen Nacht wegen, genug, um beim Aufwachen für einen Moment nicht zu wissen, wo ich war. Maria stand neben dem Bett und lächelte mich an.
«Alles in Ordnung», sagte sie und legte sich zu mir, «sie freuen sich auf mich.»
«Und du?», fragte ich.
Maria streifte sich die Schuhe von den Füßen und machte eine ihrer Gelenkigkeitsübungen, bei denen mir schon vom Zusehen alle Knochen weh taten. Sie lag auf dem Rücken, kreuzte ihre ausgestreckten Beine über dem Kopf und ließ sie gegen jede Vernunft mehrmals auf und ab wippen.
«Ich freue mich auch», sagte sie mit leicht gepresster Stimme, «besonders, dass du hier bist.»
Sie lachte. Dann faltete sie sich wieder auseinander und küsste mich auf den Mund. Kurz nur, dazu ein wenig schief und eher neben als auf den Mund, aber mit den Rändern unserer Lippen berührten wir uns doch, und wenn nicht, dann fehlten nur Millimeter. Ich hoffte auf einen zweiten Kuss, ein wenig präziser als der erste, aber Maria war schon wieder von mir abgerückt und stakte auf ihren Knien zum Bettrand.
«Lass uns rausgehen und ein paar Menschen erschrecken», sagte sie.
«Menschen erschrecken?», fragte ich vorsichtig zurück.
Maria lachte. «Na gut, dann nicht, aber raus will ich trotzdem.»
Sie stand auf und stieg in ihre Schuhe, und Sekunden später öffnete sie mit übergeworfener Jacke die Tür.
«Ich warte draußen», sagte Maria, aber als ich ihr Augenblicke später folgte, war sie nirgends zu sehen. Ich lief zwei Mal den Parkplatz ab und ging schließlich die paar Schritte zum Eingang, um im Haus nach ihr zu suchen, als ich sie keine fünfzig Meter entfernt entdeckte. Maria stand, den Oberkörper leicht nach vorne gebeugt, ein Bein an ein Mäuerchen angestellt und telefonierte. Ja, Maria telefonierte, und wenngleich es nichts gab, was ich dagegen hätte einwenden können, kränkte mich ihr Anblick. Vielleicht war es dumm zu denken, dass Maria kein Leben außerhalb ihres Camping-Busses hatte, keins, das sie mit anderen Menschen, anderen Orten verband, aber genau das war es, was ich geglaubt hatte. Sie lachte und gestikulierte, und jedes Lachen, jede Geste versetzte mir aufs Neue einen Stich. Ich wollte nicht, dass Maria mich entdeckte, und ging zurück zu ihrem Wagen, und als sie mich wenig später dort abholte, erwähnte sie ihr Telefonat mit keinem Wort. Sie hakte sich unter und lenkte unsere Schritte in Richtung Rhein, ein paar Minuten nur, in denen wir kaum mehr als das Nötigste sprachen, im Grunde genommen nichts. Am Ufer angekommen, setzten wir uns auf eine Bank und sahen den Schiffen zu, zu oder nach, vielleicht auch zu und nach, ich war nicht recht bei der Sache.
«Wo bist du?», fragte Maria.
Sie hakte sich aus und schaute mich von der Seite an. Ich spürte ihren Blick, ohne dass ich ihn sah, und spielte mit den Fingern ein bisschen mit den Reißverschlusszipfeln meiner Jacke. Vor uns auf
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