Was uns nicht gehört - Roman
da und sah ihr aus seinen Augenschlitzen zu, und auch als die Tür aufging und Dr. Janson mit zwei grimmigen Pflegern im Gefolge hereingestürmt kam, ließ er sich davon nicht ablenken. So wenig wie Maria, die einfach weitersang und ihre drei neuen Konzertbesucher lediglich mit einem beiläufigen Nicken bedachte, ein Nicken, das immerhin Dr. Janson mit einem Lächeln erwiderte. Die zwei Pfleger an seiner Seite aber scharrten mit den Füßen wie Bluthunde und schienen nur darauf zu warten, von der Leine gelassen zu werden und dem Treiben vor ihren Augen ein Ende zu setzen, ein Kommando, das nicht kam, und als der Kleinere der beiden irgendwann von sich aus die Initiative ergriff, hielt ihn Dr. Janson im letzten Moment zurück.
«Lassen Sie», hörte ich ihn dem Pfleger zuzischen, der sich mit einer Mischung aus Unverständnis und Enttäuschung zu ihm umdrehte, trotz allem noch immer zum Sprung bereit, und als er von Dr. Janson wenig später zusammen mit seinem Kollegen aus dem Zimmer gedrängt wurde, bildete ich mir ein, ihn knurren zu hören. Dr. Janson selbst drehte sich an der Tür noch einmal zu uns um und deutete eine kleine Verneigung an, und obwohl seine Geste gewiss nicht mir, sondern Maria galt, verneigte ich mich zurück und murmelte einen Dank in seine Richtung, und schließlich waren wir wieder allein.
«Ich glaube», flüsterte Maria mir zu, «dein Vater mag keine französischen Lieder.»
Sie hatte ihr drittes Lied beendet und lehnte sich kurz neben mich gegen die Wand. Mein Vater saß unverändert und machte seine Schlitzaugen, und für einen Moment glaubte ich, er würde nicht mehr atmen, doch dann sah ich, wie die Finger seiner rechten Hand auf der Armlehne des Sessels schabten, eine Bewegung, die mir über die Jahre so vertraut geworden war, dass ich sie kaum mehr wahrnahm.
«Also gut», sagte Maria, «versuchen wir es mal damit.»
Sie drückte sich von der Wand ab und brachte sich erneut vor ihm in Position. Ein wenig breitbeinig und auch sonst bemüht, alles Mireille-Mathieu-hafte abzulegen, alles, außer ihrem Kleid und ihrer Perücke, und als sie im nächsten Moment begann, Back to black von Amy Winehouse zu singen, war mir nicht recht klar, ob sie sich am Original oder an einer Parodie versuchte. Maria, so schien mir, gab alles, um verrucht und böse auszusehen, aber Maria war nicht verrucht und böse und sah auch nicht so aus, und obwohl sie ihre Stimme gegenüber ihren vorherigen Liedern um eine Oktave absenkte und sich sichtlich bemühte, nach zwei Flaschen Whisky zum Frühstück zu klingen, scheiterte auch das auf der ganzen Linie. Ich merkte, dass mir Marias Auftritt unangenehm wurde, und war froh, dass wenigstens Dr. Janson nicht mehr im Zimmer war, aber als ich nach einigen betretenen Sekunden zu meinem Vater sah, schaute ich in ein lächelndes Gesicht. Er hatte aufgehört, mit den Fingern auf der Armlehne seines Sessels zu schaben, und klopfte stattdessen einen falschen Takt, die Augenschlitze geöffnet zu einem fast kindlichen Staunen.
«Das hat Rasse», sagte er laut und zu mir gewandt, als Maria mit ihrem Lied fertig war, «sagen Sie das ruhig einmal Ihrem Chef.»
Ich nickte. «Das ist Maria, sie singt heute nur für dich.»
«Oh ja», erwiderte mein Vater, «das will ich meinen.»
Er schlug ein paar Mal vor Freude mit der flachen Hand auf die Armlehne und beugte sich kurz darauf mühevoll ein paar Zentimeter in seinem Sessel nach vorn, als wollte er noch etwas Vertrauliches hinzufügen, aber schon im nächsten Moment schien es ihm wieder entfallen zu sein, und er ließ sich zurück gegen seine Lehne sinken.
Maria sang zwei weitere Lieder, die nach Amy Winehouse klangen und die ich nicht kannte, und schließlich war mein Vater eingeschlafen.
«Er mag dich», sagte ich.
Maria legte ihren Arm um mich und zog mich ein wenig zu sich heran, und nachdem wir so eine Weile Seite an Seite gestanden und meinen schlafenden Vater betrachtet hatten, sagte sie: «Ich wette, er war nicht immer so.»
«So dement?»
«Nein, so sanft. Ich glaube, das war kein leichter Vater.»
Ich hob die Schultern und berührte dabei kaum merklich mit dem Oberarm ihre Brust.
«Welcher Vater», sagte ich, «ist das schon?»
Ohne eine Erwiderung Marias abzuwarten, schälte ich mich aus ihrem Arm und bestrich mir die vom Frühstück übrig gebliebene Scheibe Knäckebrot und setzte mich damit auf die Kante des Betts. Vor dem Fenster hüpfte ein Spatz die Balkonbrüstung entlang und schaute zu uns herein,
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