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Was uns nicht gehört - Roman

Was uns nicht gehört - Roman

Titel: Was uns nicht gehört - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel , Kimche AG <Zürich>
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die schwer und leblos neben mir auf der Matratze lag und in die auch kein Leben kam, als ich versuchte, mich mit den Fingern in ihr zu verhakeln. Schließlich ließ ich von ihr ab und drehte mich auf die Seite, die Hand unter meiner Wange wie Maria zuvor.
    «Und du?», fragte ich. «Ich fahre jetzt schon ein paar Tage mit dir durch die Gegend, und alles, was du von mir weißt, ist, dass ich ein paar Mal in der Woche Jacken aufhänge. Vielleicht sollte ich ja erst mal was von mir erzählen.»
    Ich sah, wie Maria nickte und wie ein kurzes Lächeln über ihr Gesicht flog, dann schloss sie die Augen. Im Grunde wusste ich nicht, mit was ich anfangen sollte und ob ich überhaupt anfangen sollte. Vielleicht war ich schneller mit meinem Leben fertig, als mir lieb sein konnte, und entlarvte mich so vor Maria als schrecklicher Langweiler. Oder schlimmer noch, entlarvte mich vor mir selbst als schrecklicher Langweiler, und noch während ich über die Ödnis meines Lebens nachdachte, öffnete Maria ihre Augen wieder und sah mich herausfordernd an.
    «Also gut», sagte sie, «dann erzähle ich dir von deinem Leben. Bis vor kurzem hast du noch eine feste Arbeit gehabt. Wahrscheinlich nicht irrsinnig aufregend, aber solide und ordentlich bezahlt. Der Garderobenjob ist nur eine Überbrückung, bis du wieder was Neues gefunden hast, was in deinem Alter nicht ganz einfach ist. Du lebst noch nicht allzu lange in dieser Wohnung, und du fragst dich, wie lange du sie ohne festen Job noch halten kannst. Vielleicht hast du auch noch Ersparnisse, aber so richtig glaube ich das nicht. Bis vor kurzem hat es hier eine Frau gegeben. Sie hat nicht hier gewohnt, aber sie war vermutlich nicht nur ein paar Mal da. Vielleicht kommt sie auch wieder, aber das weißt du nicht. Du kannst nicht kochen und bist auch sonst im Haushalt nicht sehr begabt. Ein gewisser Hang zur Genügsamkeit, der ab und an ins Geizige kippt. Keine Kinder. Möglich, dass du mal welche wolltest, aber das ist schon eine ganze Weile her. Ach ja, und Pingpong spielst du.»
    Maria richtete ihren Oberkörper auf und deutete mit einer knappen Geste ihres Kopfes zum Flur.
    «Der Schläger», sagte sie, «auf dem Tisch.»
    Ich versuchte Marias Blick standzuhalten, aber schon nach wenigen Sekunden wich ich ihm aus und sah über sie hinweg zum Fenster. Aus dem Kamin des Nachbarhauses fädelte sich eine dünne Rauchsäule in den Nachthimmel, ein paar Sterne, kein Mond. Ich hörte Maria neben mir atmen, nein, ich hörte mich atmen, ein wenig schneller als sonst, fast so, als hätte ich gerade eine kleine Anstrengung hinter mir. Vielleicht eine Hausarbeit, die mir nicht lag, oder eine Runde Sex, die Maria nicht lag, es gefiel mir nicht, dass sie mein Leben sezierte und noch weniger, dass sie Pingpong sagte, Pingpong, wie mein Vater, kurz nachdem er unsere Platte kaputtgeschlagen hatte, «Tischtennis», flüsterte ich, «ich spiele Tischtennis», und mehr sagte ich nicht.
    Am Morgen klingelte es an der Wohnungstür. Wir lagen beide noch im Bett, aber anders als Maria hatte ich bereits Kaffee getrunken und ein paar Minuten am Fenster zugebracht, hatte hinausgeblickt in den Nebel, der so dicht war, dass ich noch nicht einmal das Nachbarhaus sehen konnte, und als er plötzlich doch aufriss und den Blick freigab auf ein paar Morgenmenschen, die sich geschäftig in den Wohnungen gegenüber ihr Morgenleben zusammenfummelten, wandte ich mich ab und legte mich zurück ins Bett.
    Ich schaute auf den Wecker neben mir, dessen Leuchtziffern genau in diesem Moment auf acht Uhr umsprangen, eine Zeit, zu der Sonja normalerweise noch nicht auf den Beinen war. Trotzdem war ich mir sicher, dass sie es war. Sonja, die sich noch einmal alles überlegt hatte, die mir meinen brüsken Rauswurf großmütig verzieh und die wieder Freundschaft mit mir schließen wollte, möglicherweise sogar mehr als das. Auch Maria schien zu wissen, wer draußen vor der Tür stand, dabei hatte ich gehofft, dass sie das Klingeln überschlief.
    «Jetzt geh schon», sagte Maria, «sie wird mich schon nicht erschießen.»
    Ich nickte und wühlte mich aus dem Bett, und einer plötzlichen Eingebung folgend streifte ich mir im Flur den Schlafanzug ab. Sonja sollte ruhig sehen, dass auch ich andere Optionen für mein Leben hatte, aber draußen im Treppenhaus stand nicht Sonja, sondern der Paketbote, der 175,20 Euro Nachnahme von mir wollte und der gar nicht erst versuchte, meine Nacktheit zu übersehen. Ich erinnerte mich, einige Wochen nach

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