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Was vom Tode übrig bleibt

Was vom Tode übrig bleibt

Titel: Was vom Tode übrig bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Anders
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bei der Arbeit, also wollte ich ihn dabeihaben. Letztlich hatte er zugestimmt, weil er einen kleinen Nebenverdienst gut brauchen konnte. Oder: Gut hätte brauchen können, denn es passierte ja nichts.
    Ich fing Ratten, vertrieb Wespen wie vorher auch. Aber das große Abenteuer blieb aus. Der Beruf des Tatortreinigers kann ja vielleicht spannend sein, aber eine Voraussetzung dafür ist, dass er hin und wieder einen Tatort reinigt…
    Man hätte meinen können, die hätten uns vergessen. Oder der Tod machte Urlaub.
    Aber dann kam der Anruf.
    Unser erster Toter.
    In Greding.
    Schon während des Telefonats war ich mit den Fingern am Handy. Ich habe Hardy alarmiert. » Wir haben die erste Leiche! Komm, komm! Jetzt geht’s los!«
    Wir sind sofort rausgefahren wie die Teufel. Und wir haben praktisch alles falsch gemacht, was man falsch machen kann.
    Wir hatten ja weder Ahnung noch Erfahrung noch sonst was. Wir hatten nur unseren Feuerwehr-Spirit: Was immer da an Problemen käme, wir würden das schon regeln.
    Und es stimmt, wir haben’s dann ja auch irgendwie geregelt. Aber im Nachhinein muss man sagen: doch recht anfängerhaft. Das fing bei mir an: Ich habe Hardy alarmiert und mitgeschleift, und ich hatte mir den Tatort vorher noch nicht einmal angesehen. Ich wusste nichts von den Gegebenheiten vor Ort, ich wusste nichts von den besonderen Schwierigkeiten. Gut, die Auftraggeber bestanden auf einem sofortigen Einsatz. Aber jeder seriöse Klempner, jeder seriöse Bauhandwerker besteht vor der Auftragsannahme auf einer Ortsbesichtigung. Bloß der angehende Tatortreiniger Anders nicht.
    Andererseits: Woher hätte ich wissen sollen, welche Schwierigkeiten besonders waren? Für mich waren schließlich alle besonders. Ich machte das ja zum ersten Mal.
    Greding ist hübsch, gerade im Sommer. Ein mittelalterliches Städtchen mit gut siebentausend Einwohnern, die Stadtmauer ist noch fast völlig erhalten. Die Türme in dieser hübschen Stadtmauer sind restauriert und werden vermietet. Eine schöne Idee, es gibt ja auch viele Leute, die den Gedanken romantisch finden, in so einem Turm zu leben. Einer hatte hingegen die Idee, in so einem Turm zu sterben. Er ging hinein und auf der alten Holztreppe nach oben, bis zum vorletzten Treppenabsatz, dann band er ein Seil an eine Stufe im letzten Treppenabsatz über ihm, knüpfte eine Schlinge, in die er seinen Kopf hineinsteckte, und erhängte sich.
    Das war unser Mann.
    Der Fall war an sich schon ungewöhnlich: Die Angehörigen hatten ihn bereits seit fünf Wochen vermisst. Man kannte ihn im Ort, es war durchaus aufgefallen, dass er nicht mehr da war, und man hatte auch schon nach ihm gesucht– und wenn ein Vermisster fünf Wochen lang richtig offiziell gesucht wird, ist es schon selten, dass ihn keiner findet, zumal er ja nicht weit weg war. Es war halt keiner auf den Turm gekommen. Warum auch? Er hatte ihn zwar gemocht und liebevoll selbst renoviert, aber für einen derart lange dauernden Aufenthalt war der Turm nicht geeignet, weil es kein fließendes Wasser gab. Und alle suchten einen Vermissten, keinen Selbstmörder, Suizid hatte bei ihm niemand auf der Rechnung.
    Es war Juli, es war heiß. Und der Selbstmörder hatte, das musste man ihm auch im Nachhinein zugestehen, den Turm wirklich relativ aufwändig restauriert. Das war richtig nett da drin. Die Fenster jedenfalls waren dicht. Man wird sogar sagen müssen: Wenn er nicht so tadellose Fenster in den Turm gebastelt hätte, hätten die Leute in den angrenzenden Gassen vermutlich schneller Unheil gewittert. So aber waren selbst die direkten Nachbarn des Turms bis zuletzt absolut ahnungslos. Erst danach haben sie davon ziemlich schnell Wind gekriegt. Denn als man ihn nach einigen Wochen fand, war er geruchlich in einem derart üblen Zustand, dass die Helfer natürlich den Turm gelüftet und die Fenster aufgerissen haben. Was zur Folge hatte, dass die ganze Gasse, der ganze Straßenzug roch wie frisch exhumiert. Wir sollten das schnellstmöglich beseitigen.
    Schon beim ersten Betreten hatte ich Bedenken, ob wir das richtige Material dabeihätten. Es stank einfach bestialisch. Wir begannen erst einmal mit der Desinfektion und stießen sofort auf das erste Problem: Es gab im Turm kein Wasser.
    Man denkt oft an die banalsten Dinge nicht. Es ist eben nicht so, dass überall das Wasser aus der Leitung sprudelt. Und ohne Wasser geht bei uns nichts. Wir sind ja keine chemische Reinigung. Und Desinfektionsmittel sind extrem aggressiv, die

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