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Was vom Tode übrig bleibt

Was vom Tode übrig bleibt

Titel: Was vom Tode übrig bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Anders
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gelegentlich, weil die Situation so entsetzlich skurril und so skurril entsetzlich ist. Aber in Fällen wie dem Selbstmord des Jungen mag keiner lachen. Da fällt niemandem ein Witz ein. Das ist so berührend, so bedrückend, dass man ernüchtert vor sich hin schrubbt und allenfalls nachdenkt.
    Ich stellte jedenfalls beim Schrubben fest, dass ich letztlich in derselben Situation war wie diese Familie. Meine jüngere Tochter war damals genauso alt wie der junge Selbstmörder. Und wir stritten häufig miteinander wegen größerer Probleme und irgendeinem belanglosen Kleinkram, wie es wohl in jeder normalen Familie vorkommt. Das heißt, in dem Moment ist er natürlich nicht belanglos, die Tochter hat drei Pizzaschachteln in ihrem Zimmer aufgetürmt oder die Schuhe nicht ordentlich aufgeräumt und vier leere Kakaogläser stehen auch bei ihr, weil man ja nicht dauernd ins Zimmer reinschaut, die Prinzessin ist in ihrer Pubertät, da ist ein Zimmer was ganz Heiliges, aber irgendwann sind halt in der Küchenschublade keine Löffel mehr, und auf der verzweifelten Suche nach Löffeln schaut man vorsichtig in den Pubertätspalast rein, und dann sieht man, dass das Heiligtum nicht ganz so penibel aufgeräumt ist, wie man sich selbst das vielleicht vorstellt, da wird man laut, fängt an zu schreien, sie schreit zurück– und während man das Blut und das Gehirn des Jungen von den Wänden schrubbt, denkt man plötzlich: Hoffentlich kriegt meine Tochter das nicht in den falschen Hals. Oder: Hoffentlich kriege ich rechtzeitig mit, wenn sie das in den falschen Hals kriegt. Weil: Der Junge hat sich ja auch nicht wegen des Streits erschossen. Der muss die Idee bereits länger gehabt haben. Brief, Altärchen, Kerze, das improvisiert man nicht spontan.
    Nach drei Schrubbdurchgängen waren wir komplett am Ende. Ich hätte in den ersten Minuten danach nicht mal mehr eine Quittung unterschreiben können, so fertig war ich. Die Chlorbleichlauge hatte erstklassig gebleicht, und nur an den Stellen, die wir länger hatten schrubben müssen, müsste vielleicht neu gestrichen werden. Aber ansonsten hatten wir richtig gute Arbeit geleistet. Wir mussten nur noch die Folie am Boden zusammenfalten und einmal den Boden gründlich durchschrubben und auswischen. So viel gab es dort aber nicht zu wischen, denn die Schussenergie hatte sich nach oben und zur Seite hin entladen, nach unten hatte der Körper des Jungen das meiste abgeschirmt. Dann stellten wir die Möbel nach der Fotovorlage wieder hinein, und ich habe dem Vater, der zwischenzeitlich heimgekommen war, gesagt, dass wir nun fertig seien und gehen würden, falls er nicht noch Wünsche an uns hätte. Eine merkwürdige Situation, denn im Grunde will man eben, dass der Auftraggeber sich die Arbeit ansieht und sie abnickt wie bei einem Dachdecker oder Maurer oder jedem anderen Handwerker. Und hier sollte halt der Vater letzten Endes beurteilen, ob wir alle Teilchen seines Sohnes zu seiner Zufriedenheit entfernt hatten, eine letztlich unmenschliche Aufgabe, für die es aber keine Alternative gab. Ich kann ja nicht selbst sagen: » So, ich finde das jetzt in Ordnung und gehe.« Er hat dann mehr der Form halber kurz in den Raum gesehen, dann sind wir gefahren.
    Ich weiß nicht, ob die Familie immer noch in dem Haus lebt. Sie haben sich über unsere Arbeit nicht beschwert, und ich verfolge die Fälle später auch nicht weiter. Manche Angehörige denken vielleicht, sie müssten das Haus erhalten, als Gedenkort. Für mich steht fest: Ich würde in einem solchen Fall die Bude renovieren und sofort verkaufen.

10. Verstopfung
    Gelegentlich denke ich über seltsame Dinge nach, während ich so vor mich hin schabe und putze und wische. Zum Beispiel, warum mir gerade so furchtbar schlecht ist. Neulich war das der Fall, obwohl ich angenommen hatte, dass diese Arbeit eigentlich nicht so schwierig sein dürfte. Weil mal jemand nicht gestorben war oder korrekter gesagt: Gestorben war schon jemand, aber nicht in der Wohnung, die wir gerade putzten– die Tote hatte mit der Wohnung allenfalls nur ganz entfernt zu tun–, also hätte es doch ein angenehmeres Arbeiten sein müssen. Aber es half nichts, mir wurden unterm Wischen die Augen immer größer, so groß, dass Hardy besorgt zu mir kam und fragte, ob er mich ablösen sollte.
    Ich sagte natürlich: » Nein, nein, ich glaub, 20 Minuten pack ich’s noch«, weil ich ja auch kein Weichei sein wollte und bitte, ich hatte ja schon ganz andere Sachen geputzt, da

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