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Was vom Tode übrig bleibt

Was vom Tode übrig bleibt

Titel: Was vom Tode übrig bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Anders
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Wohnungsbesitzer waren in Urlaub gefahren, hatten uns den Schlüssel dagelassen, weil wir den Parkettboden entfernen mussten. Wir hatten eine Woche Zeit. In dieser Woche sollte der Bodenleger den neuen Boden verlegen und wir sollten danach alles wieder halbwegs benutzbar herrichten. Aber ich hatte die fixe Idee, den Besitzern ihre Wohnung so wieder zu übergeben, wie sie sie uns zurückgelassen hatten. Sie sollten vom Urlaub kommen und sich als Erstes fragen, ob wir in ihrer Abwesenheit überhaupt irgendetwas gemacht hätten. Also fotografierte ich zuerst Meter für Meter ihre Wohnung. Wir machten unsere Arbeit, und als der neue Boden drin war, richteten wir anhand der Fotos alles wieder her. Sogar der Schlüssel lag zum Schluss zentimetergenau da, wo sie ihn uns hinterlegt hatten. Die Wohnungsbesitzer waren begeistert, und seither machen wir das mit den Fotos immer, wo es angebracht ist. Ich hätte es in diesem Fall beispielsweise nicht gut gefunden, wenn man der Familie einen sauberen Raum übergibt, den sie dann noch einräumen müssen. Sie hatten andere Sorgen, und es war ja auch nicht sicher, ob sie überhaupt schon wieder den Fitnessraum betreten wollten. Dann wären die Möbel im Weg gestanden, und ohne dieses anschließende Einräumen hätte unsere Arbeit für mich auch was Unfertiges, Unvollkommenes gehabt.
    Wir machten uns ans Wischen. Chlorbleichlauge wäre eine Möglichkeit gewesen, Wasserstoffperoxid eine zweite, aber beides ist zu aggressiv für Möbel, weshalb wir DES 3000 nahmen, den Eiweißlöser. Das Blut war zwar fest-, aber noch nicht richtig eingetrocknet, weshalb das Abwischen recht einfach war. Wovor mir graute, waren die Wände. Blut und Hirn auf einer behandelten Holzfläche zu entfernen ist relativ leicht, weil die Holzfläche Flüssigkeit nicht so stark aufnimmt wie eine schlichte geweißelte Wand, die die Feuchtigkeit aufsaugt wie ein Schwamm. Und diese eingetrockneten Flecken muss man erst wieder aufweichen. Der Dampfreiniger wäre hierfür eine Option gewesen, aber die meisten Dampfreiniger sind mit solchen Flächen überfordert. Und mit dem Hochdruckreiniger hätten wir zwar in kurzer Zeit alles gesäubert gehabt, aber dafür hätte man das komplette Inventar aufgrund eines Wasserschadens wegschmeißen können. Sechzehn Liter versprüht ein solcher Reiniger in einer Minute, damit macht man mehr kaputt, als man putzt. Und daran sieht man wieder, was ich anfangs meinte: Auch wenn man noch so viele Tricks und Mittelchen bereithält, manchmal läuft es einfach auf ganz banales Schrubben mit Chlorbleichlauge hinaus. Wir deckten die fest installierten Möbel und den Boden mit Folie ab und holten Bürste und Lauge. Dann begannen wir mit dem Schrubben.
    Es ist ein Unterschied, ob man Chlorbleichlauge einsetzt, um Geruch zu bekämpfen, oder ob man damit eine Wand abschrubbt, um Blut und Gehirn zu entfernen. Denn die Aufgabe ist eine ganz andere. Will man Gerüche beseitigen, muss man eine bestimmte Menge der Lauge gleichmäßig überallhin verteilen. Dann ist man fertig und kann die Lauge für sich arbeiten lassen. Wenn man Blut und Gehirn entfernen will, schrubbt man mit viel Lösung, bekommt aber längst nicht alles weg. Also lässt man es einweichen und macht an einer anderen Stelle weiter. Und nach dem ersten Durchgang schaut man, was an den Stellen passiert ist, die man zuerst behandelt hat. Das sieht auf den ersten Blick ganz gut aus, weil die Chlorbleichlauge auch einen bleichenden Effekt hat. Aber sobald man die Wand näher betrachtet, stellt man fest, dass die Partikel noch da sind. Sie sind vielleicht kleiner geworden, aber sie sind immer noch da. Ein gut eingetrockneter Fleck auf einem Teller löst sich beim Abspülen ja auch nicht auf Anhieb, sondern erst nach und nach. Also beginnt man mit dem zweiten Bürstdurchgang. Die übelsten Flecken entfernt man anschließend mit einem simplen Spachtel aus dem Baumarkt. Und dann bürstet man wieder drüber, um auch die Fläche zu behandeln, die der Bluthirnklumpen verdeckt hatte. Wir haben in diesem Haus letztlich jede Wand dreimal behandelt, richtig mit Druck und Kraft. Es war eine aufreibende Tortur, und das auch noch in einer deprimierenden Umgebung.
    Denn es ist ein Unterschied, ob man eine Wohnung reinigt, in der eine Leiche lange gelegen hat, zu der niemand in Beziehung gestanden ist, oder ob man in einem Haus arbeitet, in dem nebenan die trauernden Angehörigen leben. Bei diesen extrem riechenden Leichenfundorten witzelt man schon

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