Was vom Tode übrig bleibt
bestand ein Großteil seines Besitzes auch lediglich aus mottenverseuchten Nusstüten, was übrigens nicht untypisch ist. Ich kann nicht erklären, warum, aber alte Menschen haben mit schöner Regelmäßigkeit gewaltige Nussbestände zu Hause. Walnuss, Haselnuss, Mandeln, in jedem Zustand, geschält, gehackt, mit Vorliebe auch gemahlen, als müssten sie alle gleich am nächsten Tag große Mengen an Nussplätzchen backen.
Hardy versetzte einstweilen den Teppichboden im Flur in einen menschenwürdigen Zustand. Teppichreiniger hatten wir natürlich nicht dabei, aber er war mit DES 3000 erstaunlich erfolgreich. Und damit unsere Arbeit so etwas Ähnliches wie nachhaltig wurde, kümmerten wir uns um den Abfluss. Reparieren konnten wir ihn nicht, dazu fehlte uns das passende Werkzeug, aber im Auftrag des Doktors rief ich einen Installateur an, der versprach, am nächsten Tag zu kommen. Inzwischen war ja auch die Wohnung in einem Zustand, in dem man ihn problemlos hereinlassen konnte.
Ich will nicht angeben, aber wir haben schon einiges auf die Beine gestellt. Zaubern können wir nicht, das Waschmaschinenproblem etwa haben wir nicht beheben können. Aber ich habe ja wie immer Vorher-Nachher-Fotos gemacht, in die Küche ging man wieder gerne hinein. Die gelbe Färbung des Bodens hatten wir leider nicht wegbekommen, aber man hätte sich jederzeit trotzdem in die Küche setzen mögen. Ich hatte sogar mit ein paar Petersilienbündeln und etwas Obst, das man noch guten Gewissens essen konnte, ein hübsches Arrangement auf die Spüle gezaubert, ein bisschen » Schöner Wohnen« für Arme, aber immerhin, auf den ersten Blick ging die Küche als tadellos gepflegt durch.
Das Wohnzimmer war sauber und nicht mehr vollgemüllt. Ob wir an der Stelle seiner Schwester dort hätten übernachten wollen, kann ich nicht sagen, aber wir kannten erstens die Schwester nicht und konnten zweitens auch nicht jedes Problem lösen. Das Bad jedenfalls blinkte wie neu gefliest. Und in den Flur hätte man sicher einen neueren Teppich legen können, aber bestimmt keinen saubereren. Wir brauchten uns für unsere Arbeit wirklich nicht zu schämen, und der Doktor nicht mehr für seine Wohnung. Es war inzwischen spät geworden, etwa sieben Uhr. 1200 Euro zahlte der Doktor, problemlos, das mit seiner Wohnung war ein persönliches Problem und keines, das mit Geld zu tun hatte. Ich empfahl ihm dringend, einfach einmal pro Woche eine Putzfrau zu ordern, wer weiß, vielleicht hätte ich sie ihm sogar noch heraussuchen sollen, aber irgendwo ist halt Schluss. Dann brachten wir ihn zur Tür. Zur Balkontür.
Er setzte sich dort auf einen Stuhl. Wir schlossen die Tür und begannen die Wohnung zu vernebeln. Nach drei Stunden, hatten wir ihm eingeschärft, sollte er die Wohnung gut lüften, dann dürfe er wieder hineingehen. Wir winkten ihm zu, er wirkte beruhigter als heute Morgen. Und dann fuhren wir ab, guten Gewissens. Und trotzdem will ich, glaube ich, lieber doch nicht wissen, wie die Wohnung heute aussieht.
11. Die Familie an meiner Seite
In einem Punkt habe ich besonderes Glück, gerade in Anbetracht meines Berufs: Ich habe eine Familie, die alles mitmacht. Ich habe eine wunderbare Frau und zwei wunderbare Töchter, und das Wunderbarste ist wahrscheinlich für die meisten, die mich kennen, wie ich das überhaupt in meinem Leben untergebracht habe. Denn als ich meine Frau und ihre zwei Töchter kennenlernte, bestand mein Leben praktisch rund um die Uhr aus Feuerwehr.
Im Jahr 2003 hatte ich regulär drei 24 -Stunden-Schichten pro Woche, dazu war ich für die freiwillige Feuerwehr Gerätewart, was noch einmal 16 Wochenstunden erforderte. Darüber hinaus hatte ich meinen Nebenjob als Schädlingsbekämpfer begonnen, was bedeutete, dass rund um die Uhr das Telefon klingeln konnte. Theoretisch hätte ich also meine Frau nur kennenlernen können, wenn sie sich in einem brennenden Haus aufgehalten hätte, in einen Unfall verwickelt gewesen wäre oder für ihre Düsseldorfer Wohnung einen Wespenbekämpfer aus München geordert hätte. Tatsächlich kennengelernt haben wir uns in dem einzigen Zeitfenster, das ich hatte, im Urlaub.
Wir waren beide auf Mallorca. Sie war mir abends in der Disco aufgefallen. Knallblond, ein hübsches, fröhliches Gesicht, zwei Kinder dabei, mit denen sie so umging, dass man ahnen konnte, dass da jemand mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht. Das Erste, was ich zu ihr gesagt habe, war nicht sonderlich genial: Ob sie am nächsten Abend
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