Was vom Tode übrig bleibt
stabiler als herkömmliche Küchentücher. Und dabei stellte ich fest: Blut, halb getrocknet, ist wirklich ein ekliger Glibber, ein Schlaatz, wie man bei uns sagt, mit ganz langem » a«, ein Zwischending aus Schleim und Baatz. So etwas wie ganz weicher Wackelpudding, nur haftet es deutlich besser. Je nach Trocknungsgrad ist Blut auch wie Teer. Ein furchtbares Zeug. Wir wischten die Fußräume aus, damit wir das Führerhaus überhaupt betreten konnten. Sobald ich reinkonnte, fing ich nach dem guten alten Prinzip der Treppenreinigung an: Man putzt von oben nach unten.
Der Tote hatte gründlich über die Armaturen geblutet, die Fenster, die Schalter, auch über sein elektronisches Abrechungsgerät. Ich wischte alles ab, aber mir war klar, dass Blut auch in die Schalterritzen gelaufen war und an den Fenstern in die Knöpfe der elektrischen Fensterheber, über die Displays, in den Ganghebel, in die Ablagen der Türverkleidung und die Ablagefächer zwischen den Fahrersitzen. Also schraubte ich die Armaturenbretter ab.
Da kann man natürlich auch mal wieder sehen, wie sinnvoll es ist, dass Feuerwehrleute vorher eine Handwerkerausbildung machen müssen. Jedenfalls war ich nach meiner Kfz-Mechaniker-Lehre in der Lage, Autotüren und Armaturen zu zerlegen und war nicht überrascht, wie’s drinnen aussah. Dicke Kabelstränge aus Dutzenden kleiner Leitungen. Das Blut hatte keine Probleme gehabt, hierher durchzudringen. Ich wischte und wienerte wie ein Weltmeister.
Außen stand Klaus und bekam die Armaturenteile. Manchmal ist der Mann nicht mit Geld aufzuwiegen. Er hatte den Geistesblitz gehabt, einen Dampfreiniger einzupacken. Das Ding war einfach ideal, um das Lenkrad zu reinigen, die Plastikteile, Türgriffe, den Gangschaltungshebel, Bremsknöpfe und Tasten. Allmählich drangen wir zu den elektrisch verstellbaren Sitzen vor. Und hier endeten langsam meine Kfz-Kenntnisse. Lkw-Sitze sind eine Wissenschaft für sich, das sind hochkomplizierte Arbeitsplätze und keine Drahtgestelle wie beim alten Fiat Panda. Aber dafür hatten wir eine Standleitung zur Herstellerfirma.
Dort saß ein Mechaniker nur für uns am Telefon und lotste uns durch die kniffligen Montageeinheiten. Solche Sitze werden ja als Einheit montiert, am Fließband, von Leuten, die meistens auch noch Spezialwerkzeug für den Sitz haben. Reinigen muss man da normalerweise nicht viel, sie sind unten verkleidet, da reicht Staubsaugen. Allerdings nicht, wenn jemand beschließt, sie mit seinem Blut zu imprägnieren.
Wir lockerten mühsam die Sitze und ich bürstete verkrampft weiter. Mir tat alles weh. Ständig kniete ich auf Orten und Gegenständen, die nicht zum Darauf-Knien gemacht worden sind. Ich schrubbte in einer völlig verkrampften und verwinkelten Haltung, weil ich keinen Platz zum Stehen hatte, und falls ich mich hinsetzte, kam ich nicht an die Stellen, die ich reinigen musste. Es war zum Wahnsinnigwerden. Obendrein musste ich sehr vorsichtig sein, damit mir beim Wischen kein Blutstropfen im falschen Moment auf die falsche Stelle fällt, denn dann durfte ich wieder von vorne anfangen.
Etwa zu diesem Zeitpunkt stellte ich fest, dass meine Arbeit mich richtig anwiderte. Es war nicht das erste Mal, dass ich Blut wegwischte, keine Frage. Aber zwei Faktoren machten die Arbeit langsam wirklich furchtbar. Der eine war das ständige Blut. Wenn wir normalerweise stundenlang arbeiten, haben wir in dieser Phase meist schon das Schlimmste hinter uns. Aber hier hörten und hörten die Blutfunde nicht auf, und ich merkte, dass ich den Anblick von Blut nicht unbegrenzt ertrage. Der andere Punkt war die fehlende Distanz. In einer Wohnung hat man den Schrubber zwischen sich und der Wand oder dem Boden, man bückt sich und hat immer noch eine Armlänge Abstand zu dem kontaminierten Material. Aber hier, in diesem engen Führerstand mit seinen vielen Ritzen, schrubbte ich die ganze Zeit nur Zentimeter vom Blut entfernt. Ich konnte wortwörtlich keinen Abstand gewinnen. Es war einfach ekelhaft.
Inzwischen hatte ich schon die Türverkleidungen innen entfernt. Und die Schutzfolie ebenfalls. In diesem Moment war mir klar, dass Blut nicht dicker als Wasser sein kann. Es war sogar an den Fensterscheiben innen in die Tür gelaufen. Obwohl die Scheiben wie alle Autofensterscheiben unten Gummidichtungen hatten. Wasser wäre hier abgeperlt. Das Blut von unserem Selbstmörder nicht. Ich hätte schreien können. Warum konnte der Idiot sich nicht außen umbringen? Doch am schlimmsten
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