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Was vom Tode übrig bleibt

Was vom Tode übrig bleibt

Titel: Was vom Tode übrig bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Anders
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Hardy mit einer Schaufel und einigen Mülltüten nach unten auf die Grünfläche vor dem Haus. Der Schnee musste zuerst weg, man konnte ja nicht ausschließen, dass Kinder oder Hunde sich auf die schöne rote Färbung stürzen. Wir desinfizierten die besprühte Fläche großzügig mit Kohrsolin, dann schaufelte Hardy den blutvermischten Schnee in die 120 -Liter-Tüten. Vier davon füllte er knapp zur Hälfte, eben so weit, dass man sie gerade noch tragen und ins Auto laden konnte. Wir würden sie später entsorgen müssen. Dann machten wir uns an die Balkone.
    Es ist immer wieder erstaunlich, wie verteilungsfreudig Blut ist. Auf jedem Balkon, den wir betraten, bot sich dasselbe Bild: Das Blut war auf die weißen Fliesen getropft und der Sprühnebel hatte den Balkon gleichmäßig überzogen. Direkt unter der Brüstung, an der Innenseite war nichts, da hatte die Brüstung selbst einen Spritzschutz geboten, aber nach etwa einem halben Meter hatte man den feinen Blutnebel auf dem Boden, und auch an den Fensterscheiben klebte er. Überrascht wurden wir nur auf einem Balkon im dritten oder vierten Stock.
    Ein Rentner machte uns auf, Mitte bis Ende 60 , er führte uns hinaus, auf einen irritierend sauberen Balkon. » Da waren heute Morgen so Flecken drauf«, sagte er, » ich hab die natürlich gleich weggemacht.« Hardy und ich sahen uns kopfschüttelnd an, baten ihn, sich die Hände noch mal extrem gründlich zu waschen, und sagten ihm, dass wir den Balkon trotzdem nochmals reinigen und vor allem desinfizieren müssten. Man staunt schon manchmal, zu welchen Uhrzeiten unsere Rentner bereits an ihren Balkonen herumbürsten.
    Aber letztlich hatte der Rentner natürlich in einem Recht: Er hatte schneller gehandelt, als wir es konnten, und damit einen sinnvollen Vorteil genutzt– den schlichten Umstand, dass das Blut noch nicht angefroren war. Es herrschte seit Tagen Frost mit Temperaturen von weit unter null Grad. Das bedeutete, dass nicht nur die Luft kalt war, sondern auch der Beton des Hauses komplett durchgekühlt, und ganz besonders galt das für die weißen Fliesen, mit denen alle Brüstungen verkleidet waren, und auch für den Metallrahmen, der die Fliesenverkleidung zur Außenseite hin abschloss. Das Metall war so kalt, dass man besser nicht mit dem bloßen Finger hingriff. Das Blut war dort blitzschnell gefroren, jedes der feinen Tröpfchen war sofort zu einem glasharten Knöpfchen geworden, das auf den Fliesen festsaß wie daraufzementiert. Und auf den Fliesen gefror nicht nur das Blut.
    Wir merkten es schon beim ersten Balkon, den wir behandelten. Jedes Mal, wenn wir den Balkon mit Kohrsolin besprühten, unserer Standard-Desinfektionslösung, überzogen wir das Blut mit einer sofort gefrierenden zusätzlichen Glasur, die zwar nicht mehr ansteckend war, aber eben noch schwerer loszulösen sein würde. Das Blöde war: Ändern ließ es sich nicht, auf die Desinfektion konnten wir nicht verzichten. Wir konnten nur froh sein, dass die Balkone wegen des Winters weitestgehend leergeräumt oder abgedeckt waren. Es hätte uns genauso gut passieren können, dass wir jede Menge Gartenmöbel und vergessene Sonnenliegen hätten polieren dürfen.
    Wir rührten als Nächstes mit DES 3000 die Reinigungslösung an, nahmen unsere Bürsten und stellten fest, dass wir schnell vor einer neuen Variante desselben Problems standen. Wenn man zu viel davon nahm, wurde das Zeug auf dem durchgefrorenen Stein ebenfalls zu einer Zusatzschicht. Die Putzmöglichkeit, die übrig blieb, war äußerst mühsam: relativ wenig Reinigungslösung, dafür mehr Bürsten, und dabei überschüssige Flüssigkeiten möglichst rasch aufwischen. Es war nicht richtig viel Blut, was pro Balkon aufzuwischen war, trotzdem brauchten wir für jeden mindestens eine Stunde. Für die Nachbarn gegenüber war der Anblick zumindest irritierend. Den ganzen Tag wischten Männer in weißen Overalls mit Mundschutz in nur 50 Metern Entfernung die Balkone. Einige Nachbarn begannen hinauszugehen und ihren Balkon ebenfalls zu reinigen, vermutlich, weil sie annahmen, dass ihr Haus als Nächstes an der Reihe sein würde.
    Erst zum Schluss kümmerten wir uns um das Badezimmer. Das war wenigstens einfach. Wir hatten es schon gleich zu Beginn desinfiziert, jetzt mussten wir nur noch den blutgetränkten Plüschvorleger entfernen und das Bad mit DES 3000 durchreinigen, eine Sache von einer halben Stunde. Das ist auch etwas, was ich fast immer gern mache: Geflieste Bäder putzen sich ja

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