Was vom Tode übrig bleibt
wirklich fast von selbst, und das Ergebnis sieht hinterher immer gut aus, vor allem verglichen mit dem Zustand, in dem wir sie meistens vorgefunden haben. Die Polizei hinterließ noch eine Nachricht für den abwesenden Mieter im Erdgeschoss, damit er sich nach seiner Rückkehr nicht wundern musste, wer warum auf seinem Balkon herumgeschrubbt hatte. Dann war unsere erste Open-Air-Veranstaltung zu Ende. Fans hatten wir keine gewonnen, eher viele besorgte Blicke. Falls das noch einmal vorkommt und wir Zuschauer haben sollten, kann ich diesen versichern: Für diejenigen, die uns arbeiten sehen, besteht keine Gefahr, darum kümmern wir uns schon. Und wir fahren erst dann nach Hause, wenn der Job erledigt ist und man sich in der Nachbarschaft keine Sorgen mehr machen muss.
Auf dem Heimweg kostete uns der desinfizierte Schnee nochmal eine halbe Stunde Zeit. Es dauert eben, 200 Kilo Schnee zu schmelzen, damit sie in den Gully passen, wenn es außen zehn Grad minus hat.
19. Wo alles endet
Mitunter bekomme ich Anrufe von Leuten, die mich fragen, ob sie mal ein Praktikum bei mir machen können, oder die wissen wollen, ob ich auch Lehrlinge aufnehme. Leider machen sich die meisten Interessenten da eine falsche Vorstellung von dem, was hinter unserem Beruf steckt. Sie denken, wir würden die ganze Zeit durch die Abgründe der menschlichen Existenz waten, wobei ich das noch nicht einmal als völlig falsch beschreiben würde, aber unsere Form des Watens besteht in 90 Prozent der Zeit in nichts anderem als in ganz normalem Möbelschleppen und Wohnungsentrümpeln. Einen sehr großen Teil unserer Zeit verbringen wir wie Möbelpacker in weißen Overalls. Als kürzlich eine junge Dame anrief und fragte, ob sie bei uns anfangen könnte, war sie ganz perplex, dass ich sie nicht als Erstes nach ihren Erfahrungen in Beerdigungsinstituten und Schlachthöfen gefragt habe, sondern einfach nur nach ihrem Körpergewicht. Ein bisschen über 40 Kilo, hat sie geantwortet, und daraufhin habe ich ihr ganz ehrlich gesagt: » Gute Frau, schön, dass Sie sich für uns interessieren, aber wir brauchen Leute, die Schränke schleppen können, Teppiche, Pressspanregale, die schwer sind wie Blei.« Es ist einfach so: Schleppen ist bei uns ein großes Thema, Schleppen und Wegschmeißen. Letzteres ist zudem oft auch ein Problem.
Nicht in jedem Fall ist das, was wir bei Leichenfundorten finden und wegwerfen, einfacher Hausmüll. Eigentlich selbstverständlich: Wenn jemand Hepatitis hatte und wir mit Schutzanzug und Atemfiltern arbeiten, dann ist alles, was wir abtransportieren, Sondermüll, den man nicht einfach irgendwo ablagert, sondern der auf eine entsprechende Deponie muss.
Bei den Mülldeponien, jedenfalls denen, die ich kenne, gibt es knallharte Vorgaben: Wenn du eine Couch anlieferst, musst du sie zerhacken, sonst wird sie nicht angenommen. Keine Kante darf länger als 50 Zentimeter sein, in München wenigstens. Das heißt, wenn du dort ankommst, dann hast du sie besser schon fertig zerhackt, sonst fängst du damit eben vor der Mülldeponie an. Für solche Fälle haben wir deshalb auch alles im Auto, einen Flex-Multischneider, eine Motorsäge, alles Profi-Equipment. Massivholz, wie im Fall der Treppenteile aus unserem ersten Leichenfundort in dem Gredinger Turm, muss geschreddert werden.
Allerdings haben da alle Deponien wiederum ihre eigenen Regelungen. In München muss infektiöses Material verbrannt werden. In Freising hingegen, wo wir kürzlich zu einer Tatortreinigung waren, muss nichts verbrannt werden. Wir sind vor unserem Kunden schön blöd dagestanden, da wir ihm noch die höheren Verbrennungskosten in Aussicht gestellt hatten. Als die Auskunft aus Freising kam, dass wir nichts verbrennen müssen, habe ich sicherheitshalber noch in Garching angerufen. Ergebnis: München verbrennt infektiösen Sondermüll, Garching verbrennt infektiösen Sondermüll, der Landkreis München ebenfalls, Freising nicht. Die lagern das auf der Deponie, die behandeln das wie Sperrmüll. Das verstehe, wer will.
Ich mische mich da nicht ein, die ganze Sache mit dem Müll ist letztlich Angelegenheit meines Kunden– auch wenn ich es natürlich auf Wunsch für ihn koordiniere. Üblicherweise nehmen wir dann eine Firma, die den Container bereitstellt und auch die Entsorgung übernimmt. Aber unsere Wahl ist selbstverständlich nicht verpflichtend, der Kunde muss die Möglichkeit haben, im Zweifelsfall selbst nach günstigeren Anbietern zu suchen, wenn er möchte–
Weitere Kostenlose Bücher