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Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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ich schon immer geliebt.« Wir kreiseln ums Sofa
und arbeiten uns Richtung Kitchenette vor. »Auf einmal hatte ich das Gefühl,
keine Luft mehr zu kriegen, an mir selbst zu ersticken.« Tim bleibt stehen und
atmet schwer. »Ich bin dann auf den nächsten Parkplatz gefahren, hab meine
Krawatte ausgezogen und sie zusammen mit meinem Handy einfach aus dem Fenster
geschmissen. Von diesem Zeitpunkt an war meine Karriere als Unternehmensberater
für mich beendet, ich wollte einfach nicht mehr.«
    »Wow«, entfährt es mir, »hast du mir nie erzählt.«
    »Du hast mich nie gefragt.« Da hat er recht. Warum eigentlich nicht?
Tim nimmt wieder meine Hand, und wir tanzen langsam weiter.
    »Und wenn ich mich jemals frage, ob ich die richtige Entscheidung
getroffen habe – dann muß ich mir nur dieses Lied anhören, um zu wissen, daß
ich es immer und jederzeit wieder tun würde.« Ich bin ganz gerührt darüber, daß
Tim sich mir so anvertraut. Und erstaunt bin ich auch, so eine Seite hätte ich
bei ihm nie vermutet.
    Als das Lied vorbei ist, bleiben wir noch ein, zwei Minuten lang
stehen und halten uns weiter im Arm. Ich fühle mich jetzt ganz ruhig, überhaupt
nicht mehr aufgeregt.
    »Danke«, sage ich und mache mich vorsichtig von Tim los.
    Zwanzig Minuten später fahren wir in seinem alten Mercedes Strich-Achter
bei der Mood Lounge vor. Tim war der Ansicht, daß ich in meinem Aufzug
keinesfalls auf ein Mountainbike gehöre, und ich bin ganz froh, daß er
angeboten hat, mich zu fahren. Einen richtig glamourösen Auftritt kriegt man
mit einem alten Rad nicht hin, da kann man machen, was man will. Dafür müßte
ich schon ein anderes Kaliber auffahren: Direkt vor der Bar parken drei Volvos
und ein Saab.
    »Wenn die da«, ich deute auf die Autos, »nicht zum Abitreffen
gehören, würde es mich sehr wundern.« Tim lacht.
    »Ich find’s klasse, wenn sich Klischees erfüllen. Das macht das
Leben wesentlich leichter, weil man alles hübsch bequem in Schubladen packen
kann.« Hinter den Milchglasscheiben der Mood Lounge kann man schemenhaft ein
paar Leute erkennen. Ob Moritz auch schon da ist?
    »Soll ich da jetzt wirklich reingehen?« Nur Nullen haben keine Ecken
und Kanten! Ommmmm. Scheiße, funktioniert nicht.
    »Klar sollst du. Du mußt denen doch zeigen, was aus dir geworden
ist!« Ich weiß, Tim meint es nur gut, aber fast möchte ich wieder nach Hause
fahren. Nervös zupfe ich am Kragen meines Anzugs herum. Tim beugt sich über
mich und öffnet die Beifahrertür. »Jetzt mach schon«, drängelt er scherzhaft.
»Oder soll ich einen Parkschein ziehen?«
    »Ich geh ja«, antworte ich widerwillig, schnalle mich los und mache
mich daran auszusteigen.
    »Ach, Charly?« hält Tim mich zurück, als ich schon fast aus dem
Wagen bin.
    »Ja?« Ich drehe mich wieder zu ihm herum.
    »Ich hab über deine Frage nachgedacht.«
    »Welche Frage?«
    »Na, was eigentlich Glück ist.«
    »Und?«
    »Ich glaube, das Glück liegt immer im Heute. Nicht im Gestern und
nicht im Morgen – nur auf das Heute kommt es an.« Er spielt an dem Isolierband
herum, das ums Lenkrad gewickelt ist. »Hat sich der Hobbyphilosoph in mir so
überlegt«, fügt er dann verlegen hinzu. Ich lasse mir den Satz einen Moment
durch den Kopf gehen.
    »Klingt gar nicht so schlecht«, stelle ich fest. »Also, für jemanden
wie dich, meine ich.« Ich grinse.
    »Raus jetzt.« Tim grinst zurück. Ich steige aus, knalle die Autotür
schwungvoll zu und gehe entschlossen auf den Eingang der Bar zu.

3. Kapitel
    Später würde man sie fragen:
»Was war Ihr erster Gedanke,
als Sie damals das Lokal betraten?« –
»Ich hätte
zu Hause bleiben sollen.«
    Unveröffentlichter Auszug aus den Memoiren der Charlotta Maybach
    Ich weiß jetzt wieder, wer Heike ist. Aber es wundert mich
überhaupt nicht, daß ich sie vergessen habe. Wir hatten zwar in der Oberstufe
ziemlich viele Kurse zusammen – aber Heike war einfach schrecklich
lang-wei-lig. Und bieder. Das einzig Interessante an ihr war ihre Stimme. Gegen
die kommt eine Kreissäge wie ein weiches, sonores Raunen daher. Ein
Fünf-Minuten-Gespräch mit ihr, und man ist dem Hörsturz nahe. Noch unangenehmer
als Heikes Stimme war allerdings ihre Nase – die hat sie nämlich immer und überall
ungefragt reingesteckt. Das kommt davon, wenn man kein eigenes Leben hat, dann
muß man sich in das anderer Leute hängen. Völlig logisch also, daß ich sie bei
mir schon komplett gestrichen hatte, dafür lohnt es sich wirklich

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