Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
Vom Netzwerk:
hat sie in den letzten zwei Monaten nicht so viel
geredet wie gerade mit mir.
    »Biotonisch?« Die Schlaftablette nickt.
    »Habt ihr keine normale Limo?« Sie schüttelt den Kopf.
    »Keine Fanta?« Nein.
    »Sprite?« Nein
    »Aber Cola. Ihr müßt doch Cola haben!«
    »Das ist keine Limo«, kommt sie mir jetzt besserwisserisch. In
Ordnung, ich nehme das als göttliches Zeichen. Ich hab’s versucht, wirklich,
aber das hier soll doch ganz eindeutig ein Wink sein!
    »Dann will ich lieber ein Bier«, sage ich und schiebe das biotonische
Dingsda wieder zurück zu ihr. Sie nimmt es mit stoischer Miene entgegen und
stellt mir statt dessen eine Flasche Sol hin, in dessen Hals sie dann noch
lieblos eine Limettenscheibe stopft. Das darf doch nicht wahr sein, haben die
denn hier nicht was für normale Menschen? Für
Menschen wie mich?
    »Habt ihr vielleicht normales Pils?« starte ich den nächsten
Versuch, an ein vernünftiges Getränk zu kommen. Wieder schüttelt die Bedienung
den Kopf und sagt: »Nein, nur Sol.«
    Dann läßt sie mich auf meinem Barhocker hocken und schleppt sich ein
paar Meter weiter nach links, wo noch jemand etwas bestellen möchte.
    In der Not frißt der Teufel Fliegen. Und Charly trinkt mexikanisches
Szenegesöff. Hauptsache Alkohol, denke ich, während ich mein Bier an der
Limettenscheibe vorbeinuckele. Ich sehe mich weiter um. Da stehen Gregor
Rohloff und Christian Müller. Waren die Mathe-, Bio- und Chemiecracks unserer
Schule, haben den Schachclub gegründet und seit der siebten Klasse so gut wie
jedes Jahr bei »Jugend forscht« abgeräumt.
    Zwei, drei Jahre nach dem Abi habe ich Christian auf irgendeiner
Fete wiedergetroffen und sogar mit ihm rumgeknutscht. Dabei habe ich mich
ehrlich gesagt etwas gewundert, daß er überhaupt registriert hat, daß ich eine
Frau bin. Hatte er. Und wie. Stille Wasser sind tief, und stille
Naturwissenschaftler erst recht. Kann mich noch gut erinnern, wie niedlich er
aussah mit seiner beschlagenen Nickelbrille, die ihm im Eifer des Gefechts halb
von der Nase gerutscht war. Als er mir dann zwei Wochen später unerwartet eine
Liebeserklärung machte, war ich dann aber doch etwas überfordert. Christian und
Charly, das wäre so gar nichts gewesen. Und ich wollte ihm ja nicht seine
strahlende Karriere als Nobelpreisträger verderben, indem ich ihn von seinem
Forschungslabor in eine der finsteren Kaschemmen lockte, in denen ich mich
meistens rumtrieb.
    Das letzte, was ich von ihm gehört habe, ist, daß er in die Schweiz
gegangen ist, um dort tatsächlich bei einem Nobelpreisträger weiter zu
studieren. Schade, denke ich, während ich ihn mir jetzt so betrachte, ist
wirklich ein hübscher Kerl geworden. In diesem Moment entdeckt er mich, lächelt
schüchtern und winkt mir zu. Natürlich blitzt auch an seiner Hand ein Ehering.
Wie ein Vorhängeschloß. Da hat also eine andere mit weniger Skrupeln bereits
zugeschlagen. Ich winke zurück und seufze, warum habe ich mir nicht beizeiten
so einen richtig netten Typen geangelt? Dann säße ich jetzt in der Schweiz.
    Christians Kumpel Gregor ist in Hamburg geblieben und mittlerweile – jedenfalls laut Heikes wunderbarer Liste – Mathelehrer an unserer früheren
Schule. Und die Haare sind ihm ausgegangen, wie ich feststelle, als er sich
nach einem runtergefallenen Geldstück bückt. Eine niedliche Tonsur glänzt
inmitten seiner sonstigen Lockenpracht. Paßt irgendwie ganz gut zu einem
Mathelehrer.
    In der Sitzecke neben den beiden lümmeln sich Esther Wagenbach,
Marie Schneider und Judith Bär, mit denen ich Musik-Leistungskurs hatte. Ich
weiß, das gilt als typisches Schmalspur-Abifach, aber so einfach war das gar
nicht. Musik zu mögen ist die eine Sache, sich theoretisch damit
auseinanderzusetzen eine andere. Die drei Mädels haben nach dem Abi Musik
studiert und mittlerweile zusammen mit ihren Männern, die auch hier sind, ein
Kammermusik-Ensemble gegründet. Vor drei oder vier Jahren war ich sogar mal auf
einem Konzert von ihnen und ganz neidisch, daß sie offensichtlich ihren Weg
gefunden haben. Machten einen sehr zufriedenen Eindruck, während sie so vor
sich hin telemannten und bachten, und auch jetzt sehen sie aus, als wären sie
mit sich und der Welt im Einklang. In tune sozusagen.
    Vielleicht hätte ich das auch machen sollen. Musik studieren. Ist
bloß schwierig, wenn man kein Instrument spielt. Von der Stereoanlage mal
abgesehen. Dabei hatte ich als Kind sogar Klavierunterricht und war auch gar
nicht so untalentiert.

Weitere Kostenlose Bücher