Was - Waere - Wenn
Vorwürfe über eine möglicherweise vertane
Chance mache. Als ich keuchend die Treppe zu New Life hochhechte, wartet Elisa
bereits oben an der Eingangstür auf mich und sieht aus, als wäre ihr vollkommen
klar gewesen, daß ich zurückkommen würde.
»Einverstanden«, bringe ich schnaubend hervor, »ich will wissen, wie
es funktioniert!«
5. Kapitel
Ich bin in einem Science-Fiction-Film. Und nicht nur das:
Ich spiele die Hauptrolle! Ich liege in einem der schwarzen Ledersessel, mein
Kopf und meine Arme sind übersät von kleinen Metallplättchen, aus denen Drähte
in einen merkwürdigen Apparat links neben mir führen. Sehe aus wie Alex in
»Clockwork Orange«. Fertig zum Elektroschock, würde ich sagen und bete, daß ich
nicht einer Wahnsinnigen in die Hände gefallen bin, die gleich versuchen wird,
mich mittels Folter zum Fundamentalismus zu bekehren.
Ich stecke in einem riesigen olivgrünen Overall, den Elisa mir
gegeben hat. Dazu noch Unterwäsche, Socken und Turnschuhe. Meine anderen
Klamotten mußte ich ausziehen. Sie sagte, ich würde später schon verstehen,
warum. Und weil ich seit gestern offensichtlich sowieso dem Wahnsinn
anheimgefallen bin, dachte ich mir: Was soll’s? Ziehe ich halt diesen komischen
Anzug an.
»Was machen Sie denn jetzt?« frage ich verunsichert und beobachte,
wie Elisa nun auch noch Elektroden an meinen Schienbeinen anbringt.
»Ein paar kleine Vorbereitungen sind schon nötig«, antwortet sie
freundlich, aber bestimmt. »So einfach ist das schließlich nicht.«
»Ja, aber ich dachte, Sie erklären mir erst mal, wie das geht …«
»Glauben Sie mir: Sie werden es sehr viel besser verstehen, wenn ich
es Ihnen zeige . Erklären kann man das nicht.«
»Aha.« Elisa verschnürt mich weiter, allmählich kriecht die Angst in
mir hoch. In was habe ich mich da nur wieder hineinmanövriert? Wenn das bloß
nicht das nächste Erlebnis wird, das ich hinterher lieber wieder rückgängig
machen würde!
»So, gleich bin ich fertig.« Sie steckt alle losen Kabelenden in
eine Sammelbuchse, an die sie wiederum etwas wie einen Diaprojektor anschließt.
Dann zieht sie sich einen Stuhl heran, setzt sich breitbeinig direkt vor mich,
rückt noch die eine oder andere Elektrode zurecht und mustert mich dann
zufrieden. »Es kann losgehen«, stellt sie erfreut fest.
Es fällt mir schwer, ihre Euphorie in diesem Moment zu teilen. »Nun
gucken Sie nicht so«, sagt sie in beruhigendem Tonfall. »Es passiert Ihnen ja
nichts. Ich werde Ihnen jetzt erst einmal vorführen, was möglich ist – dann
können Sie es sich immer noch anders überlegen.«
»Okay.« Verkrampft beiße ich die Zähne zusammen, rechne mit dem
Allerschlimmsten.
»Gut …« Elisa betrachtet mich nachdenklich und legt dabei ihren Kopf
etwas schief. Dann nimmt sie mit einer schnellen Bewegung mein Kinn in die Hand
und drückt meinen Kopf ein Stück nach hinten. Vor Schreck schreie ich kurz auf.
»Nicht so ängstlich«, sagt sie und tätschelt mir mit der anderen Hand das Bein.
»Woher haben Sie die?« will sie wissen.
»Die was?« Ich kann ja nicht sehen, was sie meint.
»Die Narbe unter Ihrem Kinn. Die ist ziemlich groß.«
»Ach, die habe ich schon, seit ich ein Kind war.«
»Und wie genau ist das passiert?«
»Als ich zehn oder elf war, bin ich vom Fahrrad gestürzt und mit dem
Kinn übers Kopfsteinpflaster geschubbert.« Elisa zieht mit einem scharfen
Zischen die Luft ein. »Hat ziemlich wehgetan.« Ich weiß noch, wie meine Mutter
mich damals zum Arzt geschleppt hat, der mir drei große Metallklammern ins Kinn
jagte. Danach hatte ich erst mal die Schnauze voll vom Fahrradfahren.
»Ja, das ist perfekt.« Elisa lächelt zufrieden, geht zum Projektor
und schaltet ihn ein. Dann setzt sie sich wieder hin, diesmal auf den Sessel.
Den Stuhl schiebt sie mit ihren Füßen beiseite, so daß nichts mehr zwischen uns
steht. Weißes Licht wird auf die Leinwand geworfen, bin gespannt, was sie mir
vorführen will. »Erinnern Sie sich ganz genau an das Ereignis«, fordert sie
mich auf.
»Wie ich vom Fahrrad gefallen bin?« Sie nickt. »Aber das ist doch
schon so lange her!«
»Mit ein bißchen Mühe können Sie die Bilder zurückholen. Schließen
Sie dazu einfach die Augen.«
»Wozu soll denn das gut sein?«
»Machen Sie einfach, was ich Ihnen sage!« Gut, stelle ich mir eben
vor, ich wäre noch mal elf Jahre alt und mit dem Fahrrad unterwegs … Nein, ich
war gar nicht elf. Auch nicht zehn. Ich war gerade mal sieben. Komisch.
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