Was - Waere - Wenn
zehn!« Der Kerl
sieht eher nach Freitagnacht, halb vier aus. Und riechen tut er noch schlimmer,
eine Dunstwolke aus Alkohol, Knoblauch und Hasch zieht durch den Flur bis zu
mir herüber. Der könnte sich auch gleich mal einen Termin bei Elisa geben
lassen.
»Entschuldigung«, sage ich zu der verwahrlosten Gestalt, »meine
Tasche liegt da drin, und ich brauche sie.«
»Da ist am Wochenende keiner, steht doch auf dem Schild«, grummelt
er und knallt seine Tür wieder zu. Tatsächlich stehen auf dem Firmenschild an
der Tür die Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 10 : 00 bis 18 : 00 Uhr. Aber
ich weiß ja, daß Elisa eben noch hier war, ich habe mich doch erst vor fünf
Minuten von ihr verabschiedet! Ich klopfe noch ein paarmal, aber es macht
einfach niemand auf.
So ein Mist! Alles da drin, meine Klamotten, mein Rucksack, mein
Discman, mein Handy und vor allem mein Haustürschlüssel. Aber es nützt nichts,
vor Montag werde ich hier wohl keinen erreichen. Seufzend drehe ich mich um und
gehe wieder nach draußen. Von so einer Kleinigkeit möchte ich mir dieses
Hochgefühl wirklich nicht vermiesen lassen, es gibt schließlich Schlimmeres.
Gut, daß ich mir beim Hinausgehen eine neue Visitenkarte von New Life
eingesteckt habe, dann kann ich wenigstens anrufen und eine Nachricht
hinterlassen, daß sie meine Klamotten schon mal sicherstellen.
Dabei fällt mir auf einmal etwas ein: Wenn es wirklich geklappt hat
und alles, was ich habe löschen lassen, nicht passiert ist – dann müßte Julie
ja auch wieder mit mir reden! Vor Freude mache ich einen kleinen Hüpfer. Und
wenn sie wieder mit mir spricht, kann ich ja einfach bei ihr klingeln. Von
ihrem Balkon aus kann ich auf meinen klettern. Und dann komme ich in meine
Wohnung, ich habe nämlich das Fenster auf Kipp gelassen und kann es dann
öffnen. Habe ich früher öfter gemacht, wenn nach einer wilden Nacht mal wieder
meine Tasche irgendwo verschollen war. Beschwingt und gleich zwei, drei
Schritte schneller mache ich mich auf den Heimweg. Wollen doch mal sehen, was
Elisas kleiner Zauber in meinem Leben bewirkt hat!
Julie ist nicht da. Soweit zu Theorie und Praxis. Wieso ist sie
Samstag morgens um kurz vor zehn nicht zu Hause? Ich drücke auf alle
Klingelknöpfe, damit ich wenigstens schon mal ins Haus komme. Irgend jemand
drückt den Summer, ich stolpere in den Hausflur und gehe hoch zu meiner
Wohnung. Wie zu erwarten ist die Tür verschlossen, alles andere hätte mich auch
gewundert. Ich klopfe vorsichtshalber noch ein paarmal nebenan bei Julie, aber
sie ist wirklich nicht da. Also setze ich mich auf meine Fußmatte, mehr als
warten bleibt mir wohl nicht übrig.
Ich schrecke hoch, als ich ein Geräusch höre. Bin wohl eingenickt.
Kein Wunder, bei der Nacht! Aus dem Mundwinkel ist mir Speichel getropft und
hat einen kleinen See auf dem Boden gebildet, verschämt wische ich ihn weg.
Jemand kommt die Treppe hoch. Julie? Ich stehe auf, gehe zum Geländer und beuge
mich vor, in der Hoffnung, gleich ihren schwarzen Haarschopf zu sehen. Aber ich
werde enttäuscht. Der Haarschopf ist blond und ziemlich kurz. Und auch der Rest
sieht so gar nicht nach Julie aus, er ist eindeutig männlich. Enttäuscht setze
ich mich wieder auf meine Fußmatte, aber irgendwann muß sie ja kommen! Ein Mann
biegt um die Ecke und lächelt mich freundlich an.
»Tag«, sagt er und geht direkt auf Julies Wohnungstür zu. Er holt
einen Schlüssel aus der Tasche und steckt ihn ins Türschloß.
»Äh, sind Sie der neue Freund von Julie?« Hab ich gar nicht
mitbekommen, daß sie endlich wieder einen neuen hat. Freut mich aber für sie,
zwei Jahre diesem David hinterhertrauern waren auch mehr als genug.
»Wie bitte?« Der Typ dreht sich zu mir um und lächelt mich
verständnislos an. Ich stehe auf und strecke ihm die Hand hin, die er verdutzt
ergreift und schüttelt.
»Ich bin Charly, eine Freundin von Julie«, erkläre ich.
»Aha.« Er sieht etwas verwirrt aus. Echt süß. Nein, Charly! Du hast
das eben erst alles geradegebogen, also Finger weg. »Wissen Sie, die kenne ich
gar nicht, ich bin erst gestern hier eingezogen.«
»Sie kennen sie nicht?«
»Na ja, nicht richtig. Sie hat mir natürlich den Schlüssel und alles
gegeben. Aber ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wie sie mit Vornamen heißt.«
»Julie«, antworte ich automatisch. »Sie heißt Julie.«
»Aha.« Er lacht etwas unsicher. »Ach, Entschuldigung, ich bin
übrigens Björn.«
»Und du bist gestern erst hier
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