Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was will man mehr (German Edition)

Was will man mehr (German Edition)

Titel: Was will man mehr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
Vom Netzwerk:
Depression fallen», erklärt Janet.
    Wieder nippt sie an ihrem Kaffee. Dann zieht sie ein silbernes Etui aus ihrem Trainingsanzug und entnimmt ihm eine filterlose Zigarette. Sie sieht mich erwartungsvoll an. Ich werfe einen kurzen Blick auf die Uhr. Als ich dann hinter der Theke nach einem Feuerzeug und einem Aschenbecher zu suchen beginne, schiebt sie die Zigarette zwischen ihre leuchtenden Lippen. Im Studio ist das Rauchen eigentlich verboten. Aber wir schließen gleich, und in solchen Fällen mache ich speziell für Janet schon mal eine Ausnahme. Ich reiche ihr Feuer. Sie inhaliert genüsslich und bläst den Rauch Richtung Decke.
    «Statt sich also das Leben zu nehmen oder zumindest in Apathie zu verfallen, sah Charles mich an und erwiderte mit völlig ernster Miene, er habe auch schon über eine Trennung nachgedacht.»
    Sie schüttelt fast unmerklich den Kopf. Offenbar kann sie immer noch nicht glauben, derart schnöde abserviert worden zu sein.
    «Dein Mann hat eben gespürt, dass eure Ehe am Ende war. Vielleicht hat er auch geahnt, dass du dich von ihm trennen würdest», sagt Tom.
    «Aber nein!», wehrt Janet energisch ab. «Wie er mir später beichtete, hätte er von sich aus niemals über eine Trennung gesprochen. Er hatte viel zu große Angst davor, dass ich ihn finanziell ruinieren und bei unseren Töchtern schlechtmachen könnte.»
    «Warum hättest du das tun sollen?», frage ich.
    «Beispielsweise weil er seit mehreren Jahren ein Verhältnis mit unserer Nachbarin hatte. Oder weil er einen großen Teil unseres damals nicht unbeträchtlichen Vermögens versoffen und verspielt hat. Die meisten seiner angeblichen Dienstreisen waren Kneipentouren und Pokerturniere.»
    «Dann hat er ja Glück gehabt, dass seine Sünden auf diese Weise ans Licht gekommen sind», stellt Tom fest. Und lächelnd fügt er hinzu: «Wenn du ihm auf die Schliche gekommen wärst, hättest du ihm sicher das Fell über die Ohren gezogen, oder?»
    Janet stutzt. Dann lacht sie schallend. «Ach, Tommi-Schätzchen. Du bist so herrlich naiv! Ich habe ihm selbstverständlich das Fell über die Ohren gezogen. Und zwar ruckartig, mein Lieber. Leider war nicht mehr viel zu holen. Aber was noch da war, hab ich ihm abgenommen. Den letzten Penny haben meine Anwälte aus ihm rausgeschüttelt.»
    Tom sieht aus, als bräuchte er einen Moment, um die Dimension dieser Sätze zu verstehen.
    «Was ist aus deinem Mann geworden?», will ich wissen.
    Janet zuckt mit den Schultern und zieht an ihrer Zigarette. «Zuletzt hat er als Vertreter für Tiefkühlkost gearbeitet. Finanziell geht es ihm wohl sehr schlecht, aber gesundheitlich hat es ihm gutgetan, dass er sich Alkohol und üppige Mahlzeiten nur noch gelegentlich leisten kann.»
    «Du hast ihm also bis heute nicht verziehen?», fragt Tom.
    Janet drückt ihre Zigarette aus. «Nein. Aber ich weiß schon, was du sagen willst. Meine Töchter wünschen sich auch immer, dass wir uns versöhnen. Die Enkel wundern sich angeblich schon, dass Oma und Opa immer nur einzeln auftreten. Nur, das ist ja nicht meine Schuld, oder?»
    «Nein, aber du könntest dich mit ihm arrangieren», schlage ich vor. «Zumindest was gewisse Feiertage angeht.»
    «Das könnte ich», erwidert Janet und erhebt sich von ihrem Hocker. «Ich bin nur leider immer noch nicht gut auf ihn zu sprechen. Er hat meine besten Jahre bekommen, ich hingegen nur ein bisschen Geld. Wir sind also noch lange nicht quitt. Aber wer weiß? Wenn ich eines Tages höre, dass er unter einen Bus geraten und von Paddington bis Greenwich mitgeschleift worden ist, dann verzeihe ich ihm ja vielleicht.»
    Sie lächelt dezent und begibt sich in Richtung der Umkleiden. «Ihr entschuldigt mich. Ich möchte mich noch rasch ein bisschen frisch machen. Falls ich auf der Straße einem Gentleman begegnen sollte, dem es nicht gleich auffällt, dass ich mich an einen Kretin verschwendet habe, dann möchte ich diese winzige Chance gerne ergreifen.»
    Die Tür zur Damenumkleide schließt sich. Tom sieht Janet entgeistert hinterher. Dann dreht er sich wieder zu mir und zuckt ratlos mit den Schultern. «Hättest du das gedacht, Paul?» Er klingt leicht entsetzt.
    «Was? Dass Frauen grausam sein können?»
    «Dass Frauen so grausam sein können», präzisiert Tom.
    Ich nicke fachmännisch.
    Wenig später endet meine Schicht. Die Eingangstür ist bereits verschlossen. Wie jeden Abend inspiziere ich noch rasch die Umkleiden, um nachzusehen, ob jemand was vergessen hat. Das Telefon an

Weitere Kostenlose Bücher