Was will man mehr (German Edition)
wir haben ja noch Zeit zum Reden, wenn ich wieder da bin.»
«Wann kommt ihr denn überhaupt?», frage ich lammfromm.
«Wahrscheinlich in einer Woche», erwidert Audrey geschäftig. Sie würde das Gespräch gerne abwürgen, hat aber noch ein Anliegen. Das spüre ich. Also bleibe ich auf meinem Posten und warte.
«Ach! Bevor du weg bist … Hat Lizzy sich eigentlich gemeldet?» Die Frage soll möglichst beiläufig klingen.
«Soviel ich weiß, will eure Großmutter heute Abend nach London kommen.» Was mir übrigens diesen Tag endgültig verhageln wird.
Audrey freut sich. «Dann sag ihr nichts von dem Baby, okay? Du musst es so arrangieren, dass wir morgen wieder eine Verbindung bekommen. Ich möchte Lizzy gern überraschen.» Sie macht eine Kunstpause und fügt völlig ernst hinzu: «Auf diese Weise kannst du es auch wiedergutmachen, dass du dich gerade wie ein ungehobelter Klotz benommen hast.»
Ich fand mich zwar nicht die Bohne ungehobelt, will aber kurz vor Ende des Gesprächs keinen Streit mit Audrey anfangen.
«Gern», erwidere ich deshalb. «Ich kümmere mich darum.»
«Das ist nett», lächelt Audrey versöhnlich. «Iris kannst du natürlich einweihen. Wie ich meine Schwester kenne, ahnt die sowieso schon was.»
Ich will gerade erwidern, dass Iris nicht nur nichts ahnt, sondern auch noch nach Deutschland gefahren ist, da öffnet sich die Tür, und Greg erscheint. «Tut mir leid, Leute. Die fünf Minuten sind längst rum. Ich brauche die Leitung. Und zwar sofort.»
Ich blicke zu Audrey und dem kleinen Kerl, dessen Namen ich mir irgendwo notiert habe. Ich möchte mich zumindest angemessen von den beiden verabschieden. So viel Zeit sollte sein.
Audrey winkt ab. «Sparen wir uns die Artigkeiten. Wenn du morgen mit Lizzy kommst, sehen wir uns ja sowieso.»
Ich nicke. Hätte ich nicht gedacht, dass ich Elisabeth von Beuten mal dankbar sein würde, dass sie mir einen Vorwand liefert, meine Familie zu sehen. Seltsames Gefühl, eine Familie zu haben, denke ich, finde mich im nächsten Moment aber arg sentimental. Wahrscheinlich ist Familie sowieso ein großes Wort für eine Frau, die einen nicht mag, und einen Sohn, dessen Namen man sich nicht merken kann.
Zwei Stunden später sitze ich in Schamskis Fitnessstudio. Der Laden ist praktisch leer. Eine ältere Dame flaniert über ein Laufband und blättert dabei gelangweilt in einer Illustrierten. Ein Mann mittleren Alters mit einem unvorteilhaft sitzenden Toupet stemmt Gewichte.
Schamski hat im Pub um die Ecke einen großen Krug Bier besorgt. Jetzt trinken wir auf die Geburt meines Sohnes Dragijonarah, was in der Sprache von Paul Schuberth bedeutet: wird seinen Vater ewig dafür hassen, dass er diesen bescheuerten Vornamen bekommen hat.
«Keine Sorge», sagt Schamski. «Es bleibt bestimmt nicht bei dem Namen. Man kann sein Kind nicht einfach nennen, wie man will. Es gibt Gesetze.»
«Ja. Bei uns in Deutschland», erwidere ich. «Aber die Briten sehen das nicht so eng. Und falls mein Sohn Afrikaner ist …»
«Ist doch alles Quatsch!», unterbricht Schamski unwirsch. «Warum soll denn dein Sohn Afrikaner sein?»
«Weil er in Afrika geboren ist, beispielsweise?»
«Na ja», sagt Schamski unsicher. Er überlegt einen Moment und entschließt sich dann, uns beiden nachzuschenken, statt weiter an windigen Theorien zu basteln. «Wird schon werden», beendet er das Thema.
«Was wird schon werden?», frage ich leicht gereizt.
«Na, das mit Audrey», erwidert Schamski. «Sie ist eine toughe Frau, aber wahrscheinlich im Moment total überfordert. Gib ihr einfach Zeit, um in eurem gemeinsamen Leben anzukommen.»
«Was denn für ein gemeinsames Leben?», frage ich. «Audrey ist fast zwanzig Jahre jünger als ich. Wir lieben uns nicht. Wir hatten einen Quickie, und jetzt haben wir ein Kind. Das ändert aber nichts daran, dass wir kein Paar sind und erst recht keine Familie.»
«Nennt ihr das etwa Einarbeitung?», hört man in diesem Moment Melissa fragen. Sie klingt verärgert. Ich habe ihr Kommen nicht bemerkt. Schamski scheint es genauso zu gehen.
«Hallo, Schatz!», ruft er, und ihm ist anzuhören, dass er sich ertappt fühlt.
Melissa wirft einen missbilligenden Blick auf den Bierkrug.
«Wir trinken gerade ein Gläschen auf den Nachwuchs von Paul und Audrey», versucht Schamski unseren nicht eben bescheidenen Umtrunk herunterzuspielen. «Magst du dich uns nicht anschließen, Schatz?»
Melissas Miene hellt sich auf. «Ach, das freut mich aber! Ich
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