Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was will man mehr (German Edition)

Was will man mehr (German Edition)

Titel: Was will man mehr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
Vom Netzwerk:
der Theke klingelt. Ich könnte es ignorieren, denn ich habe jetzt Feierabend. Falls am anderen Ende Melissa ist, soll sie jedoch nicht denken, dass ich hier überpünktlich alles fallen lasse. Also gehe ich ran.
    Es ist Iris. «Hast du mit Audrey gesprochen?»
    «Heute noch nicht», erwidere ich. «Ich wollte das eigentlich auch vermeiden, nachdem wir uns gestern und vorgestern nur gestritten haben.»
    «Das ist gut», erwidert Iris.
    «Was soll daran gut sein, dass wir uns gestritten haben?»
    «Es ist gut, dass du dich nicht bei Audrey gemeldet hast», erklärt Iris. «Lass das auch besser mal bleiben. Zumindest heute.» Sie klingt unheilvoll.
    Leichte Panik steigt in mir auf. Seit ein paar Tagen ist Elisabeth von Beuten überfällig. Zuerst sind wir davon ausgegangen, dass sie ihre Pläne kurzfristig geändert hat und sich in Kürze melden würde. Als aber über Tage ein Lebenszeichen von Elisabeth ausblieb, machten wir uns dann doch Sorgen. Gestern hat Iris zur Sicherheit die Polizei informiert.
    «Ist es …?», beginne ich unbehaglich.
    «Ja. Es ist wegen Großmutter», unterbricht Iris. Sie klingt bedrückt.
    Für einen kurzen Moment durchzuckt mich der Gedanke, dass Elisabeth von Beuten etwas zugestoßen sein könnte.
    «Was ist los?», frage ich und rechne mit dem Schlimmsten.
    «Die Polizei hat heute angerufen.» Iris sagt es betont sachlich.
    Meine leichte Panik verwandelt sich in einen Schweißausbruch. Mein Herz pumpt schneller. Vor meinem geistigen Auge sehe ich ein Team von Spezialisten einen Tatort sichern. Irgendwo am Ufer der Themse liegt der regungslose Körper Elisabeth von Beutens. Ein kantiger Hafenarbeiter steht etwas abseits bei den Polizisten und erklärt, wie er die Leiche entdeckt hat.
    «Und?», frage ich gepresst.
    «Sie haben Großmutter gefunden.» Iris scheint den Tränen nahe.
    Ich ahne, dass sie nicht aussprechen kann, was mit Elisabeth von Beuten geschehen ist. Zu frisch sind der Schreck und die Trauer.
    «O Gott. Das tut mir alles sehr …», beginne ich.
    «Im Caine Hotel», unterbricht Iris schluchzend.
    «Was?», frage ich entgeistert.
    «Sie hat sich da ein Zimmer genommen.» Wieder ein Schluchzen. «Angeblich sitzt Großmutter jeden Abend an der Bar. Sie trinkt! Und …» Iris unterbricht sich und schluckt ein paar Tränen herunter. «Und sie raucht!»
    «Mom… Mom… Moment», stottere ich. «Sie ist nicht tot?»
    «Was?», fragt nun Iris entgeistert. «Nein! Natürlich nicht! Wie kannst du nur so etwas Grausames denken?»
    Während sie erneut schluchzt und nun offenbar die Tränen nicht länger zurückhalten kann, spüre ich eine leichte Wut in mir aufsteigen. «Es geht eurer Großmutter also ausgezeichnet. Die ganze Katastrophe besteht darin, dass sie trinkt und raucht?», frage ich, mühsam beherrscht.
    «Ja», heult Iris. «Ich weiß nicht, was mit ihr los ist. Du kennst sie doch auch. Sie würde sich nie im Leben so gehenlassen.»
    Dass ich Elisabeth von Beuten kenne, ist eine maßlose Übertreibung. Ich war einige Tage Gast der Familie in jenem Feriendomizil, das Schamski gerade zu verramschen versucht. Mehr aber auch nicht. Im anderen Punkt hat Iris jedoch recht. Ich habe nie erlebt, dass Elisabeth von Beuten jemals die Selbstbeherrschung verloren hätte. Sie wirkt wie ein Eisblock, in dem für alle Zeiten sämtliche preußischen Tugenden eingefroren sind. Eigentlich wäre es ihr deshalb sogar zu wünschen, dass sie sich mal ein paar Tage volllaufen lässt. Macht sie vielleicht menschlicher.
    «Sicher übertreibt die Polizei», versuche ich Iris zu beruhigen. «Wahrscheinlich wollte Elisabeth nur ein paar Tage in Ruhe gelassen werden, auch von ihrer Familie. Mag ja sein, dass sie getrunken hat, aber …»
    «Du musst nachsehen, ob es ihr gutgeht», unterbricht Iris fordernd. «Ich krieg hier so schnell keinen Flug. Und Melissa kommt heute auch nicht mehr weg von Mallorca. Und Audrey … aber das weißt du ja selbst.»
    «Wieso lasst ihr sie nicht einfach machen?», begehre ich auf. «Eure Großmutter ist doch wohl alt genug, um selbst über ihr Leben zu entscheiden.»
    «Das sieht für mich etwas anders aus», erwidert Iris mit schnippischem Unterton. «Die Familie ist praktisch pleite. Trotzdem bucht Großmutter sich in ein Fünf-Sterne-Hotel ein. Das Caine kostet ein paar hundert Pfund. Und zwar pro Nacht. Von den Getränkepreisen will ich gar nicht reden.»
    «Vielleicht hat sie Geld aufgetrieben», mutmaße ich.
    «Und sagt uns nichts davon?», entgegnet

Weitere Kostenlose Bücher