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Was will man mehr (German Edition)

Was will man mehr (German Edition)

Titel: Was will man mehr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
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zu prüfen, ob ich husten muss. Ich muss nicht husten, aber röcheln. Ich tippe deshalb auf eine bis eineinhalb Packungen. Was meine Nichtraucherpläne betrifft, kann ich also wieder ganz von vorne anfangen. Na toll.
    Wo bin ich? Die Frage stellt sich weiterhin. Was auch immer gestern in der Bar noch so alles passiert sein mag – mindestens ebenso sehr interessiert mich, was danach noch so alles passiert ist.
    Wieder hebe ich den Kopf ein paar Millimeter. Ich sehe einen Nachttisch. Darauf eine Lampe. Nichts Besonderes. Die Stofftapete ist hellgrau. Mein Blick fällt auf den Teppich. Er ist rot. Wo habe ich nur diesen Teppich schon einmal gesehen?
    Ich überlege. Dabei schließe ich erneut die Augen. Wieder jagen Bilder der letzten Nacht durch meinen Kopf. Ich sehe den betrunkenen Kellner, der eine leere Magnumflasche in die Höhe reckt und damit eine Polonaise anführt. Die ebenfalls betrunkenen Gäste tippeln bester Laune dem Kellner hinterher, kreuz und quer durch die Bar. Angefeuert vom greisen Pianisten, für den diese Nacht ein Jungbrunnen zu sein scheint, grölen alle: «It’s coming home, it’s coming home, it’s coming, football’s coming home!» Der Alkohol fließt in Strömen, die Stimmung ist nun auf dem Siedepunkt. Ich wanke mit den übrigen Gästen durch die Bar und stoße versehentlich ein Tellerchen mit Knabberzeug um. Es fällt auf den roten Teppich.
    Ich öffne die Augen. Vor mir sehe ich nun den gleichen roten Teppich. Ganz offensichtlich bin ich nicht mehr in der Bar. Meiner Vermutung nach bin ich aber sehr wohl noch im Caine Hotel, das seine Bar, seine Flure und seine Zimmer mit dem gleichen roten Teppich ausgestattet hat.
    Stellt sich also die nächste Frage. Wessen Zimmer ist das hier? Ich ahne es, und diese Ahnung trägt nicht gerade zu meiner guten Laune bei. Habe ich etwa mit Elisabeth von Beuten das Zimmer geteilt? Vielleicht nicht nur das Zimmer, sondern auch das … Bett? Schlimmer noch, haben wir beide womöglich miteinander …? Mir bricht spontan der Schweiß aus. Kann das wirklich sein? Ist es denkbar, dass ich mit Elisabeth von Beuten geschlafen habe? Der Gedanke scheint mir absurd. Außerdem, wenn ich mich schon an die wilde Party in der Bar erinnern kann, dann müsste es mir doch auch einfallen, falls da was mit Elisabeth war.
    Während ich noch darüber nachdenke, ob ich gestern besoffen eine Achtzigjährige abgeschleppt habe, fällt mir ein, dass meine Kleidung ein gutes Indiz für oder gegen diesen Tatverdacht ist. Ich war gestern derart betrunken, dass ich es vielleicht noch geschafft habe, mich meiner Klamotten zu entledigen. Wäre es aber zum Äußersten gekommen, hätte ich mich danach sicher nicht wieder angezogen. Falls ich also komplett angezogen bin, ist höchstwahrscheinlich nichts passiert, weil ich dann in genau diesem Zustand in den Schlaf gesunken bin.
    Vorsichtig hebe ich die Bettdecke an. Ich bin splitterfasernackt.
    Gut, das muss jetzt auch noch nichts heißen, aber ich sollte mich wohl langsam darauf gefasst machen, dass hier eine Tragödie attischen Ausmaßes stattgefunden hat. Da ich mit Elisabeth inzwischen praktisch verwandt bin, kann ich sogar Ödipus toppen, der ja bekanntlich nicht mit seiner Großmutter, sondern lediglich mit seiner Mutter geschlafen hat. Glücklicherweise muss man sich für solche Sachen heutzutage nicht mehr die Augen ausstechen. Allerdings rechne ich damit, zu einer Menge Talkshows eingeladen zu werden.
    Ich seufze. Noch immer liege ich auf der Seite, in der gleichen Position, in der ich aufgewacht bin. Es wäre nun wohl an der Zeit, sich umzudrehen und den Tatsachen ins Auge zu sehen. Ich sollte auf ein fleischfarbenes Mieder und eine nicht mehr ganz so knackige Geliebte gefasst sein.
    Langsam drehe ich mich auf die andere Seite. Die anstrengende Aktion ist der Beginn pochender Kopfschmerzen. Instinktiv schließe ich für einen Moment die Augen. Als ich sie wieder öffne, erblicke ich … niemanden.
    Das Bett ist leer.
    Ich atme auf. Ich habe ein eigenes Zimmer bekommen, denke ich erleichtert. Glück gehabt. Im gleichen Moment hört man eine Toilettenspülung, gefolgt vom Rauschen eines Wasserhahns. Dann öffnet sich langsam und leise knarrend eine Tür, und Elisabeth von Beuten erscheint. Sie trägt einen Morgenmantel mit floralem Muster, aus dem oben ein fleischfarbenes Mieder hervorschaut.
    «Du bist schon wach», sagt sie erfreut. Bevor ich etwas erwidern kann, fügt sie hinzu: «Dann ist es ja gut, dass ich meine Zähne

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