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Was will man mehr (German Edition)

Was will man mehr (German Edition)

Titel: Was will man mehr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
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dann geht ihm plötzlich ein Licht auf. «Moment mal! Von wegen Babyflüsterer! Wenn du glaubst, dass ich jetzt andauernd auf deinen Sohn …»
    Günther verstummt, weil Jona ihm nun ein zahnloses Lächeln schenkt. Das könnte einen Stein erweichen. Ich sehe, wie Günther dahinschmilzt.
    «Na ja. Ich kann ihn ja jetzt erst mal nehmen, damit Ruhe ist», nuschelt Günther und schielt fast verlegen zu meinem immer noch lächelnden Sohn.
    «Super!», sage ich schnell. «Wir haben bestimmt auch hier irgendwo so ein Trageding. Dann hast du die Hände frei.»
    Wenig später hat Günther sich Jona vor die Brust geschnallt.
    «Perfekt», stelle ich fest. «So kannst du schon mal üben. Iggy ist doch bestimmt auch bald schwanger.»
    «Möglich», sagt Günther zufrieden. «Und? Wie steht mir ein Baby?»
    «Ganz gut», sage ich. «Die Größenverhältnisse sind witzig. Du siehst aus wie ein Bär, der von einem Eichhörnchen als Kletterwand benutzt wird.»
    Günther überlegt kurz, dann grinst er zufrieden. «Frauen finden das bestimmt süß.»
    «Ja. Gut möglich.»
    Frauen finden Männer mit Babys sowieso süß, stelle ich am übernächsten Tag fest. Wir haben unseren Einbruch verschieben müssen, weil Melissa inzwischen eingetroffen ist und Schamski nun eine gute Erklärung dafür braucht, dass er eine ganze Nacht lang nicht zu Hause sein wird. Deshalb nutze ich die Zeit für meinen Sohn. Ich mache mit Jona ausgedehnte Spaziergänge und tausche mich mit anderen Eltern über spezielle Fragen der Säuglingspflege und -ernährung aus. Meistens spreche ich mit Müttern, die mir unterwegs begegnen und mich entweder für einen sensiblen Akademiker in Elternteilzeit oder für alleinerziehend halten.
    «Und? Was stimmt nun? Elternteilzeit oder alleinerziehend?», will Hilde wissen. Sie ist Ende dreißig, trägt Jeans, Boots, einen groben Strickpulli und eine modische Kurzhaarfrisur. Vor geschätzten zwei Minuten hat sie sich zu mir auf die Bank gesetzt und dann keine Minute gebraucht, um zu dieser Frage überzuleiten.
    «Alleinerziehend», antworte ich. «Zumindest momentan.»
    Sie mustert mich erstaunt. «Was soll das heißen? Momentan?»
    «Manchmal hat die Mutter das Kind, manchmal ich», erkläre ich.
    Hilde schürzt ihre schönen, vollen Lippen. «Ihr seid aber nicht zusammen, oder?»
    Das geht dich eigentlich nichts an, liebe Hilde, denke ich, sage aber: «Nein. Wir sind nicht zusammen.»
    «Siehst du, hab ich gleich gewusst», erwidert Hilde. Dann springt sie auf und ruft: «Annika-Lena! Wenn du dich jetzt noch ein einziges Mal bei der Rutsche vordrängelst, dann gehen wir beide sofort nach Hause! Ist das klar, verdammt!?»
    Ein Mädchen von vielleicht drei Jahren in einem etwas zu großen Anorak dreht sich zu uns, fuchtelt empört mit den Armen und schreit: «Aber ich hab mich doch gar nicht vorgedrängelt!»
    «Ich hoffe, wir haben uns verstanden, junge Dame», erwidert Hilde und lässt sich wieder auf die Bank sinken.
    «Wieso wussten Sie, dass ich alleinerziehend bin?», frage ich.
    «Na ja. Männer kommen mit ihren Kindern eigentlich erst dann auf den Spielplatz, wenn die Kinder alt genug sind.» Hilde wirft einen Blick in meinen Kinderwagen. «Wie alt ist … er?»
    Ich nicke. «Vier Monate.»
    Sie nickt ebenfalls und sieht mich an. Dann lächelt sie und flirtet ein wenig. Ich bin zwar aus der Übung, aber ein Lächeln und einen kleinen Flirt bekomme ich dann doch noch einigermaßen hin.
    «Vielleicht ist es auch nur so, dass Alleinerziehende automatisch einen Blick für andere Alleinerziehende haben», vermutet Hilde listig.
    Ich verstehe. Wir beide könnten so eine Art Schicksalsgemeinschaft bilden. Alleinerziehende, die sich gegenseitig helfen, weil sie glauben, dass nur andere Alleinerziehende deren Probleme verstehen. Darauf habe ich überhaupt keine Lust, weshalb ich überlege, wie ich mich mit einer freundlichen Bemerkung aus dem Staub machen kann. Zu spät.
    «Ich habe zu Hause einen Herd», beginnt Hilde. «Bei dem funktionieren nur noch zweieinhalb Platten. Das reicht immerhin für eine Pasta. Hier ist also mein Vorschlag. Ich koche uns was, wir trinken ein paar Gläser Wein, und danach schlafen wir miteinander. Vielleicht auch nicht, aber höchstwahrscheinlich doch. Wenn es uns gefällt, treffen wir uns wieder, sonst geht jeder seiner Wege, und falls wir uns danach hier begegnen, dann grüßen wir uns freundlich und behandeln einander mit Respekt.»
    Sie hat während des kurzen Monologs eine Visitenkarte aus

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