Was will man mehr (German Edition)
nicht gebissen worden bist. Besten Dank dafür.»
Ich richte mich auf. «Wer hat denn gegen mich gewettet?»
«Ich», sagt Schamski und drückt den Maschendraht zur Seite.
«Und ich auch», erwidert Günther und schiebt sich durch den Spalt.
«Ihr seid echte Freunde», sage ich und krabbele ebenfalls durch den Zaun.
Im Verlag brennt die Nachtbeleuchtung, vermutlich um Diebe abzuschrecken. Die Wachleute sind von der Wirkung dieser Maßnahme offenbar völlig überzeugt, sonst würden sie ja wenigstens gelegentlich einen Blick in das Gebäude werfen. Uns kommt es sehr entgegen, dass man sich in allen Räumen auch ohne den Einsatz von Taschenlampen orientieren kann. Das erleichtert nicht nur die Arbeit, es verringert auch die Gefahr, dass wir entdeckt werden.
Der Server steht in einem der fensterlosen Kellerräume, wo wir ohne Probleme sämtliche Lichter einschalten können.
«Alles klar», sagt Günther, während er seinen Laptop auspackt. «Ich sehe schon, der Server ist kein Problem.» Er wuchtet sich hinter den schrankartigen Rechner und betrachtet das Kabelgewirr auf der Rückseite. «Hier sind ein paar Strippen falsch gezogen. Soll ich das ändern?»
«Bloß nicht!», erwidere ich prompt.
Günthers grinsendes Gesicht erscheint. «War auch nur ein Witz.»
«Okay. Legen wir los!», sagt Schamski. «Je eher wir hier fertig sind, desto früher spendiere ich eine Kiste Wein.»
Ich bin in der obersten Etage eingesetzt. Eine Weile war hier mein Büro, ich müsste mich also eigentlich ganz gut auskennen. Inzwischen sind jedoch die meisten Arbeitsplätze abgewickelt worden. Viele Räume sind leer, in manchen stehen verwaiste Möbel. Computer finde ich nur wenige. Das Büro von Timothy ist eines der wenigen, die noch vollständig eingerichtet sind. Sieht allerdings nicht so aus, als würde hier jemand in Arbeit ersticken. In den Schränken stehen vereinzelte Akten, auf dem Schreibtisch liegen ein paar Unterlagen. Ich stelle fest, dass der Rechner Verbindung zum Netz hat. Günther wird sich also um die Daten kümmern.
Da auf dieser Etage nicht viel zu tun ist, könnte ich einen Blick in Timothys Akten werfen. Ich überlege.
Mein Walkie-Talkie knistert. Dann höre ich Bronko fragen: «Sind eigentlich bei euch auch so viele Räume leer? Ich hab hier höchstens eine Handvoll Rechner. Dürfte keine halbe Stunde dauern, die zu kopieren.»
«Sieht hier ganz ähnlich aus», antworte ich.
Wieder ein Knistern. «Gut. Wenn ihr fertig seid, könnt ihr mir helfen», sagt Schamski. «Hier unten ist genug zu tun.»
«Alles klar», erwidert Bronko.
«Ich komm später nach», sage ich. «Ich will mir nur noch ein paar Unterlagen ansehen.»
«Okay», erwidert Schamski.
Eine Stunde später grübele ich über einem Schriftwechsel, den der Verlag mit diversen Druckereien geführt hat. Sämtliche Briefe tragen Schamskis Unterschrift, ich würde aber darauf wetten, dass er sie nicht verfasst hat.
«Paul? Was treibst du denn da noch? Wir warten auf dich», tönt Günthers Stimme aus dem Walkie-Talkie.
Kurz entschlossen raffe ich die Blätter zusammen und stecke sie in meinen Rucksack. «Bin schon unterwegs», verkünde ich.
Rasch stelle ich die Ordner ins Regal zurück, verlasse das Büro und husche den Gang entlang. Ich will gerade das Treppenhaus betreten, da höre ich Schamski flüstern: «Paul! Bist du da? Paul!» Er klingt leicht panisch.
«Was ist denn?», frage ich.
«Bleib oben und versteck dich», erwidert Schamski. «Timothy und Konstantin sind im Anmarsch. Zusammen mit den Wachleuten.»
«Aber wieso …?», erwidere ich hilflos.
«Keine Ahnung, was die hier wollen», unterbricht Schamski. «Wir verschwinden durch die Hintertür und warten am Auto auf dich.»
«Sind wir aufgeflogen, oder was ist los?», frage ich.
«Glaube ich nicht», erwidert Schamski. «Aber das wirst du ja gleich merken. Wenn sie die Bude auf den Kopf stellen, dann sind wir wahrscheinlich aufgeflogen.»
«Warum sollten die sonst mitten in der Nacht hier auftauchen?»
«Hör zu, Paul», erwidert Schamski leicht ungehalten. «Ich würde sehr gern noch mit dir plaudern, aber ich bin gerade zusammen mit ein paar anderen Leuten auf der Flucht. Also, wie gesagt: Wir warten am Auto. Lass dich nach Möglichkeit nicht erwischen. Viel Glück! Over and out!»
Während des Gesprächs bin ich ans Ende des Flures gegangen, wo ich nun auf den Archivraum zusteuere. Da die Büros praktisch leergefegt sind, würde man mich dort mit Leichtigkeit finden.
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