Was will man mehr (German Edition)
vergangen.
Nachdem Fred durch Kostas’ Schaufenster gesprungen ist, habe ich Bedenken, ihn allein im Wagen zu lassen. Ich traue meinem Hund ohne weiteres zu, dass er auch durch die Heckscheibe hechtet. Sicherheitshalber binde ich ihn deshalb mit einer extrastarken Lederleine an einen Baum unweit des Autos und stelle Futter und Wasser in Reichweite.
Eine Viertelstunde später gelangen wir an den Zaun, der das Verlagsgelände vor unliebsamen Besuchern schützen soll. Mir ist die Aufgabe zugefallen, die Dobermänner anzulocken und mit unseren präparierten Steaks außer Gefecht zu setzen. Während Schamski, Günther und Bronko im Gebüsch warten, robbe ich zum Maschendraht und rüttele vorsichtig daran. Die Dobermänner sollen zwar alarmiert werden, dürfen jedoch nicht anschlagen. Darin besteht die Kunst. Ich warte, doch nichts geschieht.
Wieder rüttele ich vorsichtig am Zaun und horche in die nächtliche Stille.
Nun hört man in einiger Entfernung den leisen Galopp von Hundepfoten, die sich rasch über Waldboden bewegen.
Im fahlen Mondlicht versuche ich die Konturen der Dobermänner auszumachen. Dem rasch näher kommenden Geräusch nach zu urteilen, müssten die Hunde jeden Moment zu sehen sein.
Ich warte und halte den Atem an. Im nächsten Moment kracht neben mir Fred in den Zaun und erschreckt mich damit fast zu Tode. Ich höre ein leises Jaulen. Er hat sich offenbar ebenfalls erschrocken, scheint aber nicht verletzt zu sein. Ich sehe, dass er seine Leine durchgebissen hat. Den Zaun hat er offenbar nicht bemerkt, aber so ähnlich geht es ihm ja neuerdings auch mit Schaufenstern.
Völlig perplex starre ich meinen Hund an und merke im nächsten Moment, dass sein Blick auf die präparierten Filetsteaks in meinen Händen gefallen ist. Sofort will ich die Beute aus seinem Blickfeld ziehen. Das ist jedoch ein aussichtsloses Unterfangen. Im Vergleich zu Fred ist meine Reaktionsgeschwindigkeit erbärmlich. Obwohl ich meine Hände so schnell wie möglich zur Seite bewege, hat Fred mir zuvor eines der beiden Steaks entrissen und obendrein mit einem einzigen Happen verschlungen.
Er sieht mich an, verdreht die Augen und macht ein Geräusch, das an ein leises Seufzen erinnert. Dann kippt er bewusstlos auf die Seite.
Im nächsten Moment höre ich unmittelbar neben meinem Kopf ein Dobermanngebiss zuschnappen. Ich wirbele herum. Der Wachhund hat versucht, mich durch den Maschendraht zu erwischen. Um ein Haar wäre ihm das auch gelungen. Sein furchterregendes Gebiss ist nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Vor Schreck lasse ich das verbliebene Steak auf den Boden fallen, wo der Dobermann es sofort durch den Spalt unterhalb des Zaunes zu erreichen versucht. Es gelingt ihm nicht ganz, weshalb ich mit dem Griff der Taschenlampe nachhelfe. Gierig verschlingt der Hund das Stück Fleisch. Wieder braucht es nur wenige Sekunden, bis das Betäubungsmittel wirkt. Ich frage mich, wo der zweite Dobermann steckt. Das Getümmel hier müsste ihn längst alarmiert haben. Oder aber Schamskis Informationen waren falsch, und es gibt nur einen Wachhund. Ich spähe durch den Maschendraht und suche gleichzeitig in meinem Rucksack nach der Tüte mit den Steaks. Zur Sicherheit haben wir vier Stücke präpariert.
Fast im gleichen Moment höre ich ein wütendes Knurren. Ein dunkler Schatten springt geradewegs auf mich zu. Ich pralle zurück und sehe noch, wie der zweite Dobermann mit voller Wucht gegen den Zaun prallt. Zu meinem Entsetzen löst sich dabei ein Stück des Maschendrahtes. Der leicht benommene Hund rappelt sich auf und versucht nun, sich mit dem Kopf voran durch das enstandende Loch zu zwängen. Er knurrt wütend, seine Augen funkeln gefährlich. Panisch bewerfe ich ihn mit den Steaks. Zufällig öffnet der Hund genau in diesem Moment sein Maul. Und zufällig treffe ich ins Schwarze. Ein Fleischstück landet punktgenau in der Gurgel des Hundes. Der blickt mich bass erstaunt an, dann schluckt er heftig. Im nächsten Moment verdreht er die Augen und wird ohnmächtig.
Ich lasse mich auf den Rücken rollen und atme ein paar Mal tief durch.
Über mir erscheint das Gesicht von Schamski. «Du scheinst ein Faible für verrückte und gemeingefährliche Hunde zu haben.»
Ich nicke matt. Schamski macht sich daran, das Loch im Maschendraht mit Werkzeug zu vergrößern, damit wir hindurchschlüpfen können.
«Paul, das war sehr, sehr cool!», höre ich Bronko sagen. «Außerdem habe ich gerade zwanzig Mäuse verdient, weil du
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