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Was will man mehr (German Edition)

Was will man mehr (German Edition)

Titel: Was will man mehr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
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Sie sucht nach einer guten Formulierung.
    «Bei wem warst du denn mit deinen Gedanken?», frage ich.
    Sie rollt sich auf die Seite, stützt ihren Kopf in eine Hand und lächelt. «Von mir ist schon die Theorie. Also fängst du mit den Bekenntnissen an.»
    Ich greife nach ihrer Zigarette, nehme einen tiefen Zug und überlege. War ich nicht bei der Sache, weil Timothys Betrug mir nicht aus dem Kopf geht? Oder beschäftigt mich in diesem Zusammenhang etwas ganz anderes?
    In meinem Alter sollte man versuchen, sich möglichst selten selbst zu belügen. «Sie heißt Iris», sage ich. «Sie ist verheiratet, lebt in London, und wir hatten kurz vor ihrer Hochzeit eine sehr kurze Affäre.»
    «Du bist also ausgestochen worden», stellt Hilde erbarmungslos fest.
    «Ja. Im Prinzip schon», bestätige ich.
    Ich gebe ihr die Zigarette zurück. Hilde benutzt sie, um zwei neue anzuzünden, und reicht mir eine davon.
    «Wie würdest du deine Chancen einschätzen, sie zurückzuerobern?»
    «Solide null Prozent, würde ich sagen.»
    «Aha. Und könnte man diese traumhafte Quote irgendwie verbessern?»
    «Keine Ahnung. Momentan versuche ich, ihren Mann ins Gefängnis zu bringen. Vielleicht hilft mir das ja weiter.» Ich ziehe an meiner Zigarette. Schmeckt scheußlich. Ich ziehe erneut, um sie mir schönzurauchen.
    «Hat er es denn verdient, hinter Gittern zu landen?», fragt Hilde.
    «Hundertprozentig.»
    «Und weiß sie es?»
    «Was?»
    «Weiß sie von seinen krummen Dingern?»
    «Nein. Ich glaube nicht.»
    «Und weiß sie davon, dass du ihm auf den Fersen bist?»
    «Nein. Das ganz bestimmt nicht.»
    Abrupt setzt Hilde sich auf. «Dann musst du es ihr sagen.»
    «Was … sagen?», frage ich verwirrt.
    «Du musst dieser Iris sagen, dass ihr Mann kriminell ist und dass du ihn dafür in den Knast bringen wirst. Wenn du es ihr nicht sagst, steht dieser Vertrauensbruch ewig zwischen euch.»
    «Was denn für ein Vertrauensbruch?», will ich wissen.
    Hilde sieht mich an, als wäre ich enorm schwer von Begriff. «Na, sie wird doch später denken, dass du geglaubt hast, sie würde mit ihrem Mann unter einer Decke stecken.»
    Ich setze mich ebenfalls auf. «Weil ich ihr nichts erzählt habe.»
    «Genau.»
    Ich überlege angestrengt. «Das stimmt. Aber was, wenn Timothy sie doch eingeweiht hat? Vielleicht steckt sie ja sogar mit ihm unter einer Decke.»
    Hilde mustert mich. «Ja. Schon möglich. Aber das glaubst du ja nicht.» Sie hält ihre Zigarette zwischen uns. Im Schein der Glut sieht sie mir direkt in die Augen. «Oder etwa doch?»
    «Nein. Eigentlich nicht.»
    «Wenn du sie wirklich noch liebst, dann solltest du an dieser Stelle einfach mal vertrauen.»
    «Auf was? Auf Iris?»
    «Auf Iris. Auf die Situation. Einfach darauf, dass sich schon alles zum Guten wenden wird», lächelt Hilde. «Ich weiß, dass Männer mehr Angst vor Vertrauen haben als Frauen vor Bindegewebsschwäche, aber …»
    «Allein das Wort ist ja auch schon schlimm», werfe ich ein.
    «Was jetzt? Bindegewebsschwäche?»
    «Nein. Vertrauen», erwidere ich. «Das klingt so nach kompletter Selbstaufgabe. Nach völliger Auslieferung. Nach bedingungsloser Kapitulation.»
    «Aber auch nur, wenn man ein völlig verkorkster Kontrollfreak ist», erwidert Hilde. Ihr Gesichtsausdruck lässt keinen Zweifel darüber, dass sie mich für genauso einen völlig verkorksten Kontrollfreak hält.
    Ich rauche und überlege. Mir fällt gerade auf, dass mich schon eine ganze Weile beschäftigt, was wohl aus Iris und Mary-Ann werden wird, wenn die Sache mit Timothy vorbei ist. Das Problem ist zwar nur eines unter vielen, aber vielleicht trägt es in besonderem Maße zu meiner momentanen Entscheidungsschwäche bei. Wie wird Iris reagieren, wenn sie erfährt, dass Timothy die Familie betrogen hat? Wird sie ihm verzeihen? Wird sie auf ihn warten, falls er hinter Gitter muss? Oder wird sie sich auf der Stelle von ihm trennen und die Scheidung einreichen? Und falls Letzteres eintritt, heißt das dann …? Ich versage es mir, den Gedanken weiterzuspinnen. Bevor ich eventuelle Probleme der Zukunft angehe, sollte ich mich mit denen der Gegenwart befassen. Die sind nämlich groß genug.
    Ich habe bislang nicht in Betracht gezogen, dass ich es sein könnte, der Iris von Timothys krummen Geschäften berichtet. Dabei ist es nur fair, wenn sie das von mir erfährt. Ich bin schließlich maßgeblich dafür verantwortlich, dass seine Machenschaften ans Licht kommen werden. Die Alternative wäre, Iris vor

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