Was will man mehr (German Edition)
Zufriedenheit?», will Balu wissen. Er ist gerade wie aus dem Nichts an unserem Tisch erschienen.
Der wieselige Gastronom erkennt mit einem Blick, dass wir mit Getränken versorgt sind und uns außerdem in einem schwierigen Gespräch befinden.
«Ich schau mal nach den Vorspeisen», sagt er schnell und verschwindet ebenso plötzlich, wie er zuvor aufgetaucht ist.
«Wenn du mit solchen Gerüchten …», beginnt Iris drohend.
«Es sind keine Gerüchte», unterbreche ich und lege einen Briefumschlag auf den Tisch. «Ich kann alles beweisen.»
Iris’ Blick wandert zwischen mir und dem Umschlag hin und her. Dann verliert sie plötzlich für einen Moment die Fassung und schluchzt haltlos. Doch sie reißt sich augenblicklich wieder zusammen, zieht ein Taschentuch hervor und wischt sich damit verstohlen durchs Gesicht.
Balu erscheint mit den Vorspeisen.
«Jetzt nicht!», faucht Iris.
«Kein Problem!», flötet der erschrockene Inder. «Ich stelle alles hier auf den Nebentisch.» Er tut es und macht sich rasch aus dem Staub.
Iris stützt die Ellenbogen auf. «Erklär es mir», bittet sie.
Ich ziehe die Unterlagen aus dem Umschlag und breite einige Blätter auf dem Tisch vor Iris aus. «Das hier sind diverse Schreiben an eine belgische Firma. Sie wurde damit beauftragt, eine preiswertere Druckerei zu finden. Timothy und Konstantin dachten, sie könnten den Verlag auf diese Weise gesundsparen.» Ich ziehe ein mehrseitiges Papier, das in englischer Sprache abgefasst ist, aus dem Umschlag. «Das ist der Vertrag mit dem belgischen Unternehmen. Die Maklerfirma fand eine sensationell preiswerte Druckerei in Polen.»
Iris wirkt ungehalten.
«Ich komme sofort zum Punkt», sage ich und schlage eine von mir zuvor markierte Stelle im Druckvertrag auf. «Hier ist geregelt, was passiert, wenn eine der Vertragsparteien ihren Pflichten nicht nachkommt.»
Iris liest sich den betreffenden Paragraphen durch. «Regelungen für einen möglichen Schadensersatz. Das ist meines Wissens nichts Besonderes bei solchen Verträgen.»
«Das stimmt», erwidere ich. «Und die belgische Firma hat sich obendrein kulant gezeigt, als der Verlag von der Vereinbarung mit der polnischen Druckerei zurücktreten musste. Statt der vertraglich fixierten und juristisch einwandfreien Forderung von fünf Prozent des Auftragsvolumens akzeptierten die Belgier nach langen Verhandlungen drei Prozent als Ausfallhonorar. In diesem Fall etwa eine knappe Million Euro.»
Iris blickt vom Vertrag hoch. Sie denkt angestrengt nach. «Ich sehe immer noch nicht, was das alles mit Timothy zu tun haben soll.»
«Als der Druckvertrag neu verhandelt wurde, da war längst klar, dass der Verlag liquidiert werden würde …», beginne ich.
«Wem war das klar?», unterbricht Iris.
«Mir war das damals klar. Deshalb muss es auch Timothy klar gewesen sein. Er war ja mein Finanzvorstand. Er hat den Vertrag mit den Belgiern also nur abgeschlossen, weil er wusste, dass es zum Schadensfall und damit auch zum Schadensersatz kommen würde. Wobei ich mal unterstelle, dass es eine interne Vereinbarung mit einer polnischen Druckerei überhaupt nie gab.»
«Okay. Tun wir mal so, als hättest du recht. Was hat Timothy davon, dass eine belgische Firma ein Ausfallhonorar kassiert?», fragt Iris.
Ich ziehe ein paar Seiten aus dem Umschlag, die Lisas Kollege Brosch mir gegeben hat, und breite sie vor Iris aus.
«Der Hauptgang», verkündet Balu frohgemut, merkt aber sofort, dass die Stimmung am Tisch weiterhin angespannt ist. «Stelle ich einfach hier zu den Vorspeisen», beeilt er sich zu sagen. «Können wir auch nochmal warm machen, falls Sie beide es …»
Er verstummt abrupt, weil er von Iris’ Blick gestreift wird wie von einer Gewehrkugel.
«Alles klar. Bin schon weg.» Balu huscht davon.
Iris wendet sich wieder den Unterlagen zu.
«Die belgische Firma wurde erst kurz vor Beginn der Verhandlungen gegründet und ist inzwischen auch schon wieder in Auflösung begriffen», erkläre ich. «Es gab aber einen Gewinnabführungsvertrag mit einem Unternehmen in Montevideo.» Ich ziehe ein letztes Blatt aus dem Umschlag, lege es direkt vor Iris auf den Tisch und zeige auf zwei Wörter, die farbig markiert sind. Die beiden Wörter lauten: Timothy Huntington.
«Montevideo?» Iris sieht mich fassungslos an.
«Ja. Dein Mann hat eine Firma in Montevideo. Und die hat kürzlich knapp eine Million Euro kassiert. Ich vermute aber, das Geld ist längst nicht mehr da. Vielleicht liegt es ja
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