Was will man mehr (German Edition)
Soll ich ab jetzt jeden Abend in irgendeinem Hotel sitzen und darauf warten, dass er eines Tages Vernunft annimmt?»
Ich zucke mit den Schultern. «Wenn du absolut sicher bist, dass du das alles nicht willst, warum fliegst du dann überhaupt?»
Sie sieht mich an und überlegt. «Wahrscheinlich hoffe ich, dass ich ihn umstimmen kann.» Sie wartet auf meine Reaktion, aber ich schweige.
«Du könntest mir sagen, dass das Quatsch ist», sagt sie nach einer Weile.
«Den Teufel werde ich tun. In der Liebe macht sich jeder so zum Affen, wie er muss. Dabei sollte man niemandem reinreden.»
«Das meinst du auch ernst, oder?», fragt Lisa und lächelt schmal.
Ich nicke bedächtig. «Was erwartest du von einem Mann, der in Liebesdingen so ziemlich alle Fehler gemacht hat, die überhaupt machbar sind?»
Lisa runzelt die Stirn. «Aber vielleicht kannst du mir wenigstens eine ganz allgemeine Frage beantworten.»
Ich zucke mit den Schultern. «Ich werd es versuchen. Schieß los!»
«Würdest du sagen, dass man in der Liebe schlimme Fehler riskieren oder lieber auf Nummer sicher gehen sollte?»
«Ich will nicht philosophisch werden», antworte ich. «Aber meine Vermutung ist, dass die schlimmsten Fehler in der Liebe immer dann passieren, wenn man auf Nummer sicher geht.»
Sie erhebt sich lächelnd und drückt mir einen Kuss auf den Mund. «Ich bin froh, dass es mit uns beiden nicht geklappt hat. Als Exmann bist du wirklich Weltklasse.»
«Danke», sage ich. «Ich habe noch nie ein so lecker vergiftetes Lob bekommen. Lieber wäre mir allerdings, du würdest mir noch wegen dieser Sache mit Schamski helfen.»
Sie zieht eine Visitenkarte aus ihrer Jeans. «Ein Kollege von mir. Er kennt sich mit Wirtschafts- und Insolvenzrecht bestens aus. Ich habe ihm schon gesagt, dass du ihn anrufst.»
«Danke», sage ich und nehme die Karte entgegen. «Das ist wirklich toll, ich hab nur leider gerade … ähm … ein kleines finanzielles …»
«Kein Problem», unterbricht sie. «Er schuldet mir noch was.»
«Grüß Tommi bitte nicht von mir», sage ich zum Abschied.
Sie lächelt.
Lisas Kollege heißt Professor Brosch. Er macht am Telefon einen derart behäbigen Eindruck, dass ich ihn mir als Tattergreis mit schlohweißem Haar und einem Hörrohr vorstelle. Entgegen meiner Befürchtung, dass seine Recherche Monate in Anspruch nehmen könnte, ruft er nach zwei Stunden zurück. «Ihre Vermutung ist richtig. MrHuntington hat definitiv Geld veruntreut. Ob Sie es allerdings schaffen werden, ihn juristisch zu belangen, halte ich für äußerst fraglich. Und ich würde auch nicht darauf wetten, dass Sie das Geld je wiedersehen werden.» Im Vergleich zu unserem ersten Telefonat wirkt Brosch jetzt regelrecht aufgekratzt.
«Hört sich an, als würden Sie einen Fanclub für ihn gründen wollen», erwidere ich.
Brosch lacht. «MrHuntington ist ein sehr elegantes Schlitzohr. Als Wirtschaftsanwalt habe ich naturgemäß ein Faible für solche Leute.» Er macht eine Kunstpause. «Ich wollte Ihnen eigentlich nur sagen, dass Sie sehr genau überlegen sollten, wie Sie weiter vorgehen. Ich halte Huntingon für ungewöhnlich clever. Gut möglich, dass Sie noch den Kürzeren ziehen, obwohl Sie gerade das bessere Blatt haben.»
Broschs Bemerkung beschäftigt mich dermaßen, dass ich noch Stunden später darüber grübele, wie ich Schamski aus der Patsche helfen, gleichzeitig aber auch Timothy das gestohlene Geld wieder abjagen kann. Sosehr ich mir auch das Gehirn zermartere, mir fällt keine schlagende Lösung ein.
Meine Spielplatzbekanntschaft Hilde liegt neben mir und raucht. Sie hält mir die Zigarette hin. «Magst du?»
Ich schüttele den Kopf. «Danke. Ich will es mir abgewöhnen.»
Hilde und ich haben heute Abend ein paar Gläser Wein getrunken, Pasta gegessen und sind dann quasi vereinbarungsgemäß im Bett gelandet. Da unser Sex rein pragmatische Gründe hatte, haben wir sicher beide kein erotisches Topevent erwartet. Unser Schäferstündchen verlief dann auch erwartungsgemäß unspektakulär. Allerdings kann selbst pragmatischer Sex ansprechender sein als jener, den Hilde und ich gerade veranstaltet haben. Ich weiß nicht, woran es gelegen hat, und beschließe, die Sache einfach auf sich beruhen zu lassen.
«Ich glaube, ich weiß, woran es gelegen hat», sagt Hilde plötzlich. «Wenn beim Sex nur einer an einen anderen denkt, dann klappt die Sache meistens noch ohne Probleme. Wenn aber beide mit ihren Gedanken woanders sind, dann …»
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