Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was will man mehr (German Edition)

Was will man mehr (German Edition)

Titel: Was will man mehr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
Vom Netzwerk:
vollendete Tatsachen zu stellen. So gebe ich ihr immerhin die Möglichkeit, in Ruhe über alles nachzudenken. Außerdem kann ich ihr auf diese Weise Rede und Antwort stehen.
    «Und an wen hast du vorhin gedacht?», frage ich Hilde.
    «Ach, nicht so wichtig», sagt sie und zündet sich eine neue Zigarette an.
    «Dann rate ich mal. Du hast gesagt, ich erinnere dich nicht an den Arsch, der dich und deine Tochter verlassen hat», erwidere ich. «Ich vermute, genau an diesen Arsch hast du eben ein paar Gedanken verschwendet.»
    «Nicht schlecht», lobt Hilde. «Wie bist du draufgekommen? Habe ich in wilder Ekstase seinen Namen geschrien?»
    «Du hast weder geschrien, noch warst du in Ekstase», erwidere ich wahrheitsgemäß. «Aber wenn eine Frau einem Mann offensichtlich die Pest an den Hals wünscht, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie ist für alle Zeiten fertig mit ihm. Oder sie ist noch lange nicht mit ihm fertig.»
    «Wieder nicht schlecht», lächelt Hilde. «Ich gebe zu, ich habe eben an meinen Exmann gedacht. Aber nur kurz.»
    «Oh. Ihr ward sogar verheiratet?»
    Sie nickt. «Fast vier Jahre. Als ich schwanger wurde, kannten wir uns erst ein paar Monate.»
    «Was ja nichts heißen muss», erwidere ich.
    «Nein», bestätigt Hilde und seufzt. «Das ist ja gerade das Problem mit der Liebe. Es gibt nichts, was nicht gleichermaßen klappen oder fürchterlich schiefgehen könnte. Dreißig Jahre Ehe sind keine Garantie für die nächsten drei Tage. Aber ein Lächeln von drei Sekunden kann der Beginn einer lebenslangen Liebe sein.»
    Langsam schmeckt mir die Zigarette. «Woran lag es bei euch?»
    Sie zuckt mit den Schultern. «Das Übliche. Er ist Fremdgeher, Märchenerzähler und Bindungsangsthase. Ein Durchschnittstyp, könnte man sagen.»
    «Das klingt jetzt, als hättest du ihn rausgeworfen. Hast du nicht gesagt, dass er dich verlassen hat?», frage ich irritiert.
    «Spielt das eine Rolle?», will sie wissen. Es klingt leicht patzig.
    Ich schweige. Klar spielt das eine Rolle, aber das weiß sie selbst. Sicher will sie mir mit ihrer Gegenfrage also nur signalisieren, dass ich im Begriff bin, ihr zu nahezutreten.
    «Er ist gegangen», sagt sie nach einer kurzen Weile, und es klingt wie eine Kapitulation. «Ich habe über all seine Eskapaden hinweggesehen und jede Kränkung ertragen in der Hoffnung, dass er sich eines Tages zu mir und unserer Tochter bekennen würde. Stattdessen hat er irgendwann seine Sachen gepackt, um einer Geliebten nach Ibiza zu folgen. Das war vor vier Monaten. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.»
    Ich drücke meine Zigarette aus. Sie hält mir die Packung hin, ich schüttele den Kopf. «Danke, nein. Ich will es mir wirklich abgewöhnen.»
    «Was meinst du? Soll ich auf ihn warten?», fragt sie zögerlich.
    «Nein», antworte ich bestimmt. «Aber das weißt du ja längst selbst.»
    Sie sieht mich lange und schweigend an. Dann lächelt sie, und sagt: «Viel Glück in London, Paul.»

    Ich kann meine Reise in die britische Metropole beruhigt antreten, weil Melissa meinen Sohn liebend gern noch einen weiteren Tag beaufsichtigt. Ihr und Schamski habe ich gesagt, dass ich einen Anwalt in Brüssel treffe, der mir Informationen über die belgische Firma liefern wird. In Wahrheit bin ich längst im Besitz aller nötigen Informationen. Ich habe ein schlechtes Gewissen dabei, Schamski zu belügen, weil er gerade seine ganze Hoffnung auf mich setzt. Andererseits weiß ich, dass es zu dem persönlichen Gespräch mit Iris keine Alternative gibt.
    Meine finanziellen Mittel sind immer noch bescheiden. Also nehme ich den Bus und quartiere mich in einer sehr preiswerten Pension im Londoner Westen ein. Die Inhaberin heißt Mrs Poppins und hat so gar nichts mit dem zauberhaften Kindermädchen gleichen Namens gemein. Mrs Poppins thront hinter einem alten Empfangstresen neben einem massiven Holzkasten, in dem übergroße kupferfarbene Schlüssel hängen, die wie Requisiten aus einem Märchenfilm aussehen.
    «Die Rezeption ist rund um die Uhr besetzt», schnauft sie, während sie mir einen der Schlüssel über den Tresen schiebt. «Es kann allerdings sein, dass ich hin und wieder einnicke, dann müssen sie mich kurz anstupsen, wenn Sie Ihren Schlüssel haben möchten.»
    Ich beschließe, meinen Schlüssel nicht abzugeben, weil ich Angst davor habe, Mrs Poppins final anzustupsen. Sie ist schon etwas älter, hat starkes Übergewicht, unreine Haut und strohige Haare. Da sie Tag und Nacht hinter

Weitere Kostenlose Bücher