Was will man mehr (German Edition)
herrscht Stille.
Ich muss ein Niesen unterdrücken. Die Kartons sind staubig. Ewig kann das hier ja nicht dauern, denke ich. Mit etwas Glück werde ich in einer halben Stunde am Auto sein.
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Viel Glück in London, Paul
«Danke, ihr Arschgeigen!», sage ich, als ich geschlagene vier Stunden später in Bronkos Loft eintreffe, wo meine Freunde bei Wein und Botschaftshäppchen den erfolgreichen Abschluss unserer Einbruchsaktion feiern.
«Warum kommst du denn jetzt erst?», will Bronko wissen und stellt mir ein Glas und einen Teller hin.
«Ich hab mich zuerst fast eine Stunde im Verlag verstecken müssen. Dann hat es mich noch mehrere Stunden gekostet, zu Fuß hierherzukommen, weil meine allerbesten Kumpel mich einfach im Stich gelassen haben.»
«Die Wachleute waren uns auf den Fersen», erwidert Schamski. «Also haben wir deinen bewusstlosen Hund eingepackt und uns vom Acker gemacht.»
«Wir dachten, du würdest ein Taxi nehmen», ergänzt Günther, der nebenbei mit seinem Laptop beschäftigt ist.
«Ich habe das für keine gute Idee gehalten, weil der Taxifahrer mich später vielleicht wiedererkennen könnte.»
«Das war aber ein bisschen übervorsichtig», erwidert Schamski. «Offiziell gibt es weder einen Einbruch noch einen Diebstahl.»
«Das stimmt nicht ganz», sage ich und werfe die Unterlagen, die ich in Timothys Büro mitgenommen habe, auf den Tisch.
Bronko verzieht das Gesicht. «Wenn das mal eine gute Idee war, Paul.»
«Ging nicht anders. Ich ahne, wie Timothy sich die Kohle unter den Nagel gerissen hat. Aber ich hatte nicht genug Zeit, mir alles in Ruhe anzusehen.» An Schamski gewandt, frage ich: «Habt ihr eigentlich vor einer Weile die Druckerei gewechselt?»
Der nickt. «Ja. Stimmt. Wir hatten ein außergewöhnlich preiswertes Angebot von einer Firma aus Belgien. Gedruckt werden sollte in Polen.»
«Aber dazu ist es nie gekommen», vermute ich.
«Genau. Woher weißt du das?», fragt Schamski verblüfft.
«Erkläre ich euch später», sage ich und schaue zu Günther. «Dauert es eigentlich noch lange, bis die Daten aufbereitet sind?»
Günther blickt von seinem Laptop hoch und sieht mich stoisch an. «Hast du eigentlich irgendeine Ahnung davon, was ich hier gerade mache?»
«Nicht die geringste.»
«Eben», erwidert Günther. «Nimm dir ein Glas Wein und iss einen Happen. Ich bin gleich fertig. Und Paul? Bitte entspann dich!»
Ich setze mich und gieße mir Wein ein.
Um Timothys Betrug beweisen zu können, brauche ich Lisas Hilfe. Wir sind ohnehin für morgen Abend zum Essen verabredet. Ein Abschiedsessen, weil sie übermorgen nach Detroit fliegt. Ihre Möbel sind bereits abtransportiert, deshalb lebt sie einige Tage im Hotel. Als ich dort eintreffe, ist sie gerade beim Packen.
«Habe ich mich im Datum geirrt?», frage ich verblüfft.
Sie schüttelt den Kopf. «Nein. Ich muss dir nur leider für morgen absagen. Ich fliege noch heute Abend nach Kuba.»
Ich warte, doch sie macht keine Anstalten, mir zu erklären, was sie so plötzlich auf Kuba will.
«Du hast eine Zuckerrohrplantage geerbt», witzele ich.
Keine Reaktion.
«Du willst dich auf Hemingways Spuren durch Havanna saufen», setze ich nach.
Sie sieht mich mit ernster Miene an. «Ich treffe mich mit Tommi. Er hat eine Konzertpause und möchte, dass wir nochmal in Ruhe über alles reden.»
«Auf Kuba», stelle ich fest.
Lisa zuckt mit den Schultern. «Ja. Für ihn ist das nicht so weit, und für mich liegt es sowieso fast auf dem Weg nach Detroit.»
«Glücklich scheinst du darüber aber nicht zu sein.»
Sie hält inne, dann setzt sie sich auf die Bettkante. «Stimmt. Ich habe ein bisschen Angst davor, dass Tommi mich überreden könnte, mit ihm zu gehen. Ich liebe ihn immer noch. Aber ich weiß nicht, ob ich ein Leben als Groupie ertragen könnte.»
Ich ziehe den Schreibtischstuhl zu mir heran und setze mich ebenfalls. «Ist doch toll, dass du in deinem Alter noch als Groupie arbeiten kannst. Wenn das mit Tommi nicht klappt, dann gehst du einfach zu den Flippers .»
Sie verzieht keine Miene.
«Oder …» Ich überlege. «Lebt Chris de Burgh eigentlich noch?»
Ein kaum messbares Lächeln huscht nun über ihr Gesicht. Das war knapp. Ich hatte schon damit gerechnet, dass sie mich gleich rauswerfen würde.
«So wie ich dich kenne, meinst du das auch noch ernst», erwidert Lisa.
Ich nicke. «Zumindest das mit Chris de Burgh.»
Sie seufzt. «Tommi hat wieder mit Alkohol und Drogen angefangen.
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