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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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Schlecht, sehr schlecht! Ich spähe über das hochstehende Gras der Heuwiese. Ob sie sich darin
     verirrt haben? Unmöglich, sie haben eingebaute Kompasse, ein Bio-GPS! Ich rufe sie wieder. Warum antworten sie nicht? Verflixt,
     es wird Zeit, die Nacht kommt. Ich versuche es sogar mit meinem «Gang äntli hei, Äntli». Nichts. Also wieder auf Entisch.
     Stille. Ich gehe den Rand der Heuwiese entlang. Da: eine kaum wahrnehmbare, sehr schmale Spur aus leicht niedergedrücktem
     Gras. Hier sind sie gegangen. Offenbar schön hintereinanderweg, im berühmten Entenmarsch. Langsam folge ich der Spur. Tief
     gebückt, um sie im aufkommenden Zwielicht nicht zu verlieren.
    Und dann begreife ich mit Schrecken, wo sie sind!
    Ich finde zwei winzige Daunenfederchen. Hier muss der Fuchs nachgefasst haben, beim Wegtragen der Beute. Ich suche weiter,
     finde eine kleine Kuhle im Gras. Hier hat er sein Zwischenlager gehabt. Der Fuchs jagt nämlich so: Er schleicht sich lautlos
     an die Beute heran. Geduldig wartet er auf den richtigen Augenblick. Erst wenn er absolut sicher weiß, dass er, ohne sich
     selbst zu gefährden, angreifen kann, dass der Rückzug problemlos möglich ist, erst dann schlägt er zu. Mit einem Satz ist
     er bei der Ente und setzt seinen Halsbiss. Blitzschnell, lautlos, tödlich. Er lässt ihr keine Zeit, einen Warnschrei auszustoßen.
     Ein ruckartiges Schütteln, Genickbruch. Loslassen, Nachfassen. Rückzug samt Beute. Aber nur ein paar Dutzend Meter. Beute
     deponieren, retour zu den anderen Enten. Dann schleppt der Fuchs alle vier Enten Richtung Bau. Immer eine nach der anderen,
     in kurzen Etappen. So bleibt kein Beutestück länger |95| als eine halbe Minute sich selbst überlassen. Keine Chance für konkurrierende Räuber.
    Während wir beim Haus des Fuchses waren, war er bei unserem. Während sein Revier uns beglückt hat, fand er im unsrigen sein
     Glück. Ich lerne:
    Erstens, der Deal mit dieser Natur heißt: Du kriegst, aber du musst auch geben.
    Zweitens, vergiss alle Regeln, die da gegolten haben, wo du herkommst. Dass die Füchse dort nur nachts zuschlagen, garantiert
     nicht, dass es hier auch so ist.
    Drittens, fehlende Sorgfalt und Umsicht rächen sich sofort. Die Enten neben dem hohen Gras frei laufen zu lassen, das war
     eine Steilvorlage für jeden Räuber.
    Ich nehme mir vor, diese Lektionen nicht zu vergessen. Im Stillen nenne ich sie «Das Entengesetz». Sonja und ich trösten uns
     mit dem Gedanken, dass der Verlust der Enten sozusagen unser Antrittsgeschenk an dieses Land ist, das uns so sehr in Verzückung
     versetzt hat. Wir subventionieren eine Fuchsfamilie. Unfreiwillig zwar, aber nachdem es nun mal geschehen ist: Lasst es euch
     schmecken, Reinekes!
    Und jetzt setzt die Techno-Walze wieder ein   …

|96| Dazwischen
    Alles läuft rund auf meiner Fahrt ins alte Leben: Mein Jeep arbeitet die Autobahnkilometer souverän unter sich weg. Die Berner
     Sennenhündinnen pennen jetzt wahrscheinlich unter dem Kirschbaum im Garten von Amerika, in dessen Geäst sich vielleicht unsere
     Katzen räkeln, zufrieden, endlich nicht mehr eingesperrt zu sein.
    Der große leere Hänger, den ich noch 600   Kilometer lang immer wieder sorgenvoll im Rückspiegel überwachen werde, läuft wie auf Schienen, der Verkehr ist überschaubar
     auf dem sechsspurigen Betonband, das mich durch meine neue Heimat zieht, meiner alten entgegen. Der Tempomat synchronisiert
     mich mit der Reisegeschwindigkeit der großen 7 0-Tonner .
    Easy Driving
.
    Ich bin müde. Nicht gerade ideal für eine lange Autofahrt. Werde wohl öfter kleine Pausen einlegen müssen. Auch die zweite
     Nacht war nicht gerade von ländlicher Ruhe gesegnet gewesen. Die Techno-Partydröhnte im Zimmer zur Straße wirklich etwas weniger
     laut – bei geschlossener Dreifachverglasung   –, aber eben nur etwas |97| weniger. Wir sehnten uns regelrecht nach dem traulichen Gesang der Fußballclub-Kumpels, der fand ja irgendwann ein Ende.
    Heute haben wir alles, was der Hänger noch hergab, in der Blümchentapetenwelt verteilt. Die paar Möbel, die Kleiderständer
     von Sonja wirkten wie erste tröstliche Vorboten unserer eigenen Identität, das bisschen Küchengerät, verloren in dieser Milhoff-Welt,
     die jetzt uns gehörte, aber noch so gar nicht
zu
uns. Sonja freute sich, nach ihrem Jahr fremdmöblierten Lebens in Berlin, wie ein Kind über jeden Gegenstand, hieß ihn lachend
     willkommen wie einen guten alten Freund.
    Sonjas Mama ist angereist, sie

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