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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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gebraucht, wann hat es dich zuletzt erfreut, wird es dir fehlen, wenn es nicht mehr da ist? Und dann entschied ich: einpacken
     (
be
lastend) oder weg (
ent
lastend).
    Besonders entlastend war das «weg» für Hunderte von Videokassetten. Hunderte von alten Sendungen, altem Info-Material für
     alte Sendungen, alten Auftritten, alten Filmen, unendlich viel alte Lebenszeit: weg! Die Entsorgung stellte sich jedoch als
     gar nicht so einfach heraus. In der Schweiz gibt es eine Institution, die sich «Brockenhaus» nennt. Das sind Secondhandläden
     für alles Mögliche, von Möbeln über Klamotten bis Schallplatten. Betreiber ist die |101| Heilsarmee. Alles, was irgendwie wiederverkäuflich scheint, bringt man als Spende zum Brockenhaus. In der Überzeugung, dass
     man sich dort über die vielen neuwertigen, wieder bespielbaren Videokassetten riesig freuen würde, stapelte ich die Dinger
     in ein halbes Dutzend Bananenschachteln und schaffte sie zur Annahmestelle des Brockenhauses.
    Dort thronte eine resolute ältere Dame und blitzte mich durch ihre Omabrille kampfeslustig an. Gute Besetzung, dachte ich,
     an dieser Position muss ein Krokodil sitzen, welches den Leuten, die versuchen, hier ihren wertlosen alten Krempel zu entsorgen,
     unmissverständlich klarmacht, dass das keine Mülldeponie ist, sondern eine gemeinnützige Institution. Aber ich brachte ja
     keinen Müll, sondern leicht verkaufbare und daher wertvolle Ware. Ich entwaffnete das Krokodil gleich mit einem frisch geschmetterten
     «Grüezi, ich hab da was für euch».
    «Das wird sich dann schon weisen, ob das was für uns ist, oder? Zeigen Sie mal.»
    «Da.» Ich öffnete den Schachteldeckel.
    «Aber das sind ja Videokassetten!»
    «Genau, erst einmal bespielt, praktisch wie neu.»
    «Sind das alles Videokassetten?»
    «Nichts anderes, keine Angst, ich schmuggle Ihnen keinen Müll dazu.»
    «So viele», rief sie ungläubig. Offensichtlich erkannte sie jetzt erst das geschäftliche Potential meiner Spende.
    «Ja, so viele», sagte ich stolz. «Und im Auto habe ich noch viel, viel mehr!»
    «Also, Sie, also   …» Sie wurde ganz aufgeregt vor Freude. Ich fühlte mich wie der Weihnachtsmann. Schließlich fand sie ihre Sprache wieder:
     «Also, das können wir doch wirklich nicht annehmen, Sie!»
    |102| «Doch, doch», sagte ich gönnerhaft, «ich brauche sie nicht mehr, wissen Sie, ich zügle jetzt ins Ausland.»
    «Meinetwegen züglen Sie, wohin Sie wollen, aber nehmen Sie um Gottes willen diese Videokassetten wieder mit!»
    «Ja, aber   …» Ich war ansatzweise verwirrt.
    «Ja, was glauben Sie denn, hä?» Sie stemmte ihre kleinen Fäuste in die Seiten. «Das kennen wir schon, so was nehmen wir nicht.
     Den Fehler haben wir schon durchexerziert, oder, und dann waren da lauter so Sexfilmchen drauf! Also, was meinen Sie eigentlich,
     das geht doch nicht, wir sind die Heilsarmee, was denken Sie denn, was das für Schwierigkeiten gegeben hat, oder, und da kommen
     Sie   …»
    «Aber», fuhr ich dazwischen, «da sind nur alte Fernsehsendungen drauf, ich schwöre es!»
    «Ja, die bringen doch das gruusige Zeug mit den nackten Weibern und, also, ich kann doch nicht wochenlang Ihre schlüpfrigen
     Kassetten kontrollieren, was bilden Sie sich eigentlich ein?» Sie musterte mich angewidert von Kopf bis Fuß, als ob sie herausfinden
     wollte, ob ich mir vielleicht im nächsten Augenblick die Kleider vom Leib reißen und mich mit Brunftgeschrei auf sie stürzen
     würde. Mit hochrotem Kopf trollte ich mich samt meinem Karton. «Blöde Schachtel», murmelte ich.
    «Was haben Sie gesagt? Wollen Sie jetzt auch noch frech werden?»
    Ich drehte mich nach ihr um. «Blöde Schachtel, habe ich gesagt zu meiner blöden Schachtel. Weil sie schon total aus dem Leim
     geht.»
    Ich lernte: Es gibt nichts Wertloseres als alte T V-Sendungen , auch wenn sie mit noch so viel Herzblut gemacht worden sind. Was bleibt am Ende eines Moderatorenlebens? Alte Sendungen.
     Mir wurde ganz schwach. So interessant, spannend, herausfordernd, ja, |103| mitunter sogar lustvoll Fernseharbeit sein kann – kaum ausgestrahlt, wird sie, zack, vollkommen irrelevant.
    Das offene Land, das ich in Amerika mit Sonja so bewundert hatte, tauchte vor meinem inneren Auge auf. Diesen Boden wieder
     urbar zu machen, weidende Tiere darauf stehen zu haben, einen Kreislauf in Gang zu setzen, der Brache in Kulturland verwandelt,
     kontinuierlich und dauerhaft – das wäre etwas ganz anderes. Der Zukunft

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