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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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gekommen sind. Der Mann, der jedes Baugerät virtuos beherrscht, heißt «Bagger-Kalle», und den Klempner
     nennen sie «Gas-Wasser-Scheiße-Kurt». Meine Spitznamen sind zum Glück harmlos: Anfangs war ich «der Eselhalter», dann «der
     Schweizer», und aktuell nennt man mich «den Schauspieler». Nur damit Sie nicht denken, ich würde kneifen   …
    Entsprechend diesen Spitznamen-Gepflogenheiten hatte sich in meinem Kopf sofort ein ganz deutliches Bild der Männerlegende
     «Rambo» etabliert: ein Hüne mit Oberarmen wie Frauenbeine, mit einem Blick wie Rasputin, bekleidet mit weit offenem Seeräuberhemd,
     breitem Rindsledergürtel und straff über die Oberschenkel gespannten Jeans. Ein Fels in der Brandung des Liebesrausches, eine
     Gewitterfront, aus der sich Sturzbäche von Testosteron ergießen, ein wilder Stier mit einem Horn, so groß   … doch genug Details! Ich stellte mir Rambo vor, wie einer eben aussehen muss, wenn man ihn «Rambo» nennt.
     
    |230| Lange nach jenem Abend, an dem wir mit Krüpki und Lotte unseren ersten Landkauf gefeiert hatten, stehe ich mit Teddy vor unserem
     Haus. Wir sind gerade dabei, einige am Hof anstehende Arbeiten zu bereden, als er zur Pfuhle zeigt und sagt:
    «Kiek mal, wer da drüben geht, mit zwee von seine Kinder.»
    Ich erblicke ein mageres Männchen, in einen adretten dunklen Anzug gehüllt, weißes Hemd, Schlips. Links und rechts an der
     Hand je ein Kind, Junge und Mädchen, so um die zehn, elf.
    «Soll das jemand Besonderer sein?», frage ich.
    «Na, das darf ja wohl nicht wahr sein, wa?» Teddy stemmt die Hände in die Seiten und schaut mich vorwurfsvoll an.
    «Was darf nicht wahr sein, Teddy?»
    «Na, dass du nicht wissen tust, wer das ist, nach all der Zeit, wo du jetzt hier bist. Mensch, das ist doch der Rambo!»
    «Wie,
das
ist Rambo?», entfährt es mir. «Der Kleine da drüben?»
    Der schmächtige Herr hat sich auf die Uferwiese gekniet und hält sich einen Fotoapparat vors Gesicht. Die Kinder posieren
     vor dem Bronzehengst.
    «Das ist der legendäre Rambo? Dessen Weg mit gebrochenen Frauenherzen gepflastert ist und so weiter?» Ich kann es einfach
     nicht glauben, starre mit offenem Mund den kleinen Papi und seine Kinder an.
    «Det isser», sagt Teddy und beschreibt mit seinem Arm einen Halbkreis Richtung Bronzehengst – der Conférencier kündigt den
     Stargast des Abends an: «Det is Rambo.» In seiner Stimme schwingt heilige Ehrfurcht.
    «Teddy, warum nennt ihr alle diesen harmlosen kleinen Mann Rambo?»
    «Was soll jetzt diese alberne Frage? Weil der eben so heißen tut.»
    «Ja, aber das passt doch überhaupt nicht zu ihm.»
    |231| «Seit wann müssen Namen denn passen, biste jetzt übergeschnappt, oder wat?»
    «Na, es muss doch einen Grund geben, warum ihr ihm gerade diesen Spitznamen verpasst habt?»
    «Wat haste nu plötzlich von wegen Spitznamen, Mensch, der heißt so! Det is Herr Rambo!»
    Ich hab’s nachkontrolliert. Ich gebe zu, das ist schweizerisch, aber da müssen wir jetzt gemeinsam durch: Es gibt im weiten
     Umkreis um Berlin Telefonbucheintragungen auf den Namen Rambo. Mit weiblichen Vornamen. Unser
Herr
Rambo hat keinen Festnetzanschluss   …

|232| Landeroberung
    Nun besaßen wir also genügend Land, um mit der Viehhaltung beginnen zu können – ein großer Schritt zum «richtigen» Bauernhof.
     Doch bevor überhaupt daran gedacht werden konnte, Tiere anzuschaffen – welche auch immer es dann sein würden   –, galt es, ihre künftige Weide zurückzuverwandeln von der Brachfläche, die sie noch war, in eine Wiese. Der Boden war ein
     Vierteljahrhundert lang sich selbst überlassen gewesen, war völlig verfilzt und verkarstet. Tausende von alten Maulwurfshügeln
     machten die Fläche zu einer einzigen Holperlandschaft. Darauf konnte nur noch zähes Heidegras wachsen, und zwischen seinen
     spärlichen Halmen gedieh prächtig das Moos. Da musste dringend Luft rein, der Filz gehörte rausgebürstet.
    So tuckerte ich auf meinem Hürlimann, die Wiesenegge im Schlepptau, viele Male über das «Krüpki-Eck», wie wir es getauft hatten.
     Es war genau in der ehemaligen Einflugschneise des Militärflugplatzes gelegen, und mir wurde einigermaßen flau in der Magengegend
     bei dem Gedanken, dass hier bestimmt irgendwelche Blindgänger lagen, die, ausgelöst von den Eisenzähnen der |233| Egge, nach Jahrzehnten doch noch tun würden, wofür sie konstruiert waren: hochgehen.
    Die erste Stunde eggte ich mit schweißnassen Händen und

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