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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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geschlossenem Pelzkragen, erinnert an ein sehr empfindliches Ei in einem Nest aus Fell. Sonja steckt, wie schon den ganzen
     Winter über praktisch Tag und Nacht, in ihrem blauen dickgepolsterten Overall mit den überall aufgenähten Reflektorstreifen:
     über der Brust, am Rücken, an den Ärmeln und an den Seitennähten der Beinröhren. Sie hat das «Monstrum» bei einem Reiterbedarfshandel
     bestellt, eigentlich ist es für das winterliche Trabertraining der Sulki-Fahrer konstruiert worden. Sonja sieht darin aus
     wie eine Streckenwärterin der Transsibirischen Eisenbahn, aber das Ding hat gute Dienste geleistet und sie auch bei stärkstem
     Frost warm gehalten. Inzwischen ist es sozusagen zu ihrer zweiten Haut geworden.
    Die beiden sprechen nicht. Stumm betrachten sie die Schafe. Genießen es, die Zufriedenheit der Muttertiere und ihrer Lämmer
     auf sich wirken zu lassen. Jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach.
    «Brave Herde», sagt Teddy in die Stille.
    «Hm?»
    «Na ja. Ist ’ne brave Herde. Zwanzig Lämmer von dreizehn Müttern, da kann man nicht jammern.»
    «Ja, das haben sie gut gemacht, unsere Mütter», gibt ihm Sonja recht. «Und unsere Lämmer auch.»
    «Und wat is mit uns?»
    «Du und ich, Teddy? Wir haben es auch nicht schlecht gemacht, für den Anfang. Oder?»
    «Das will ich meinen, Sonja. Können wir ruhig zugeben, brauchen wir uns nicht schämen für, echt nicht.»
    Sonja denkt zurück. Daran, wie das gewesen ist am Anfang, nach dem Kauf der Schafe. Der Bau des Schafstalls musste in aller
     Eile vonstattengehen, der Verkäufer wollte die Tiere liefern, und der Winter nahte. In einer mehrtägigen Gewaltaktion stellten
     Teddy, |246| Sonja und Teddys Dachdecker-Bruder das Holzhäuschen aufs neue Land. Von Sonnenaufgang bis es zum Weiterarbeiten zu dunkel
     wurde, sägten, zimmerten, richteten und nagelten sie. Schließlich erinnerte der Stall in seiner einfachen Holzkonstruktion
     an jene kleinen Waldhäuschen, welche die Pioniere vor hundert und mehr Jahren gebaut haben, um in der Wildnis Kanadas oder
     der Weite Sibiriens zu überwintern. Sogar eine Tür und ein altes Fenster vom Sperrmüll hatten sie eingebaut, es fehlte nur
     der Kamin, und man hätte Lust gehabt, selber darin zu wohnen.
    In einigem Abstand zogen sie einen Wildzaun um den Stall herum, das Festgehege. Die Weide selbst und ein Stück des angrenzenden
     Wäldchens wurde mit flexiblen Schafnetzen eingefriedet. Solange das Gras nicht von Schnee bedeckt war, würden die Tiere auch
     winters dort weiden.
    Und dann kamen sie an, die Schafe. Sonja erinnert sich sehr genau, wie sie von Stolz und Freude fast übermannt wurde, als
     die Tiere aus dem Transporterchen trappelten und sich sofort auf das Weidegras stürzten. Teddy machte natürlich auf cool.
     Aber dass sein Gesicht strahlte wie Vollmond und Sonnenaufgang zugleich, das konnte er selbst mit aller Gewalt nicht verhindern.
    «Weißt du noch, Teddy, als die Schafe ankamen?», fragt Sonja jetzt zu ihm hinüber.
    «War ’n gutes Gefühl. Richtig gut.»
    «Und weißt du noch, das erste Umsetzen der Schafe?»
    «Ach, das hab ich schon fast vergessen.» Teddy zwinkert Sonja verschwörerisch zu. «War da wat gewesen?»
    Und ob da was gewesen war: Die Schafe hatten das Stück Land, das sie seit ihrer Ankunft beweideten, brav kurz gefressen, es
     wurde Zeit, sie umzusetzen, sprich, ihnen neue Weidefläche zur Verfügung zu stellen. Unsere Neuschäferei verfügte zu dem Zeitpunkt
     erst über wenige Schafnetze. Sie reichten nicht aus, die neue Weide einzuzäunen, |247| ohne ein paar Netze von der alten Weide mit zu verwenden. Es würde also eine Zeitspanne geben, in der die neue Weide noch
     nicht ganz zu und die alte schon teilweise offen war.
    «Macht nüscht, bis die ollen Viecher det mitkriegen, steht die neue Weide, und denn nix wie rin mit denen», lautete Teddys
     Prognose – die sich leider als falsch erwies. Die «ollen Viecher» entpuppten sich als äußerst gute Beobachter und intelligente
     Schnellmerker. Schon die ganze Zeit, während Sonja und Teddy die Netze um die neue Weide aufstellten, standen die Schafe als
     geschlossenes und höchst interessiertes Publikum direkt hinter der Absperrung der alten Weide. Keine Bewegung der Menschen
     entging den beobachtenden Blicken der Tiere.
    Nun muss man wissen, dass das Aufstellen und Spannen von Schafnetzen, wenn es von darin ungeübten Personen ausgeführt wird,
     eine Menge Potential an unfreiwilliger Komik birgt. So ein

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