Was wir unseren Kindern in der Schule antun
sich situativ und direkt um es kümmert.
Aber genau das ist in unserem derzeitigen Schulsystem nicht gegeben. Und aufgrund unserer sich verändernden Gesellschaftsstruktur kann dies zunehmend in immer weniger, meist nur in privilegierten Elternhäusern ermöglicht werden. Inwieweit die gesellschaftlichen Strukturen geändert werden können, um jedem Kind wieder seine Grundbedürfnisse nach Familienleben und stabilen, vertrauensvollen Beziehungen zu den Eltern zu erfüllen, kann hier nicht diskutiert werden. Fraglos aber sollte das schulische Lernen in der Schule stattfinden und keine Aufgabe sein, die das Elternhaus mehr oder weniger notgedrungen übernehmen muss, wenn Eltern nicht dabei zusehen möchten, wie ihr Kind ohne die aufwändige häusliche Unterstützung in schulischen Bereichen scheitert.
Egal, wie viel oder wenig Zeit Eltern derzeit unter den gegebenen Umständen für ihr Kind haben: Dies sollte persönliche Zeit bleiben dürfen, die Kinder mit ihren Eltern genieÃen können. Zeit, in der Erziehung und Familienleben stattfinden dürfen. Aber diese kostbare Zeit wird in der aktuellen Situation in unserem Land nahezu komplett von der Schule und den damit verbundenen Problemen aufgesogen.
Familien in einem Sisyphus-Kampf
Da der Anspruch des âauÃerschulischen Lernensâ weder durch den Hort noch durch Eltern zu erfüllen ist, basiert auf dieser Not inzwischen eine ganze Branche: Wie viele Schulkinder in Deutschland haben wohl schon ein Mal bezahlte Nachhilfe bekommen? Der Nachhilfesektor boomt. Jährlich geben Eltern
Millionen dafür aus. Und das schon ab der ersten Klasse, wenngleich dort oft noch Eltern, ältere Geschwister oder GroÃeltern das Kind unterstützend begleiten. Dafür gibt es in manchen Orten bereits âElternschulenâ, in denen die Eltern am Abend den Grundschulstoff lernen, um dann ihren Kindern wenigstens mit den Grundlagen helfen zu können. Wichtig ist ja nicht mehr, in den ersten Schuljahren einfach nur rechnen, schreiben und lesen zu lernen. Vielmehr gibt es die eigenartigsten Aufgabenstellungen, Darstellungsformen, Begriffe und viele Details â welche Lehrern zwar vertraut sind, die man als Mutter oder Vater aber erst einmal nachvollziehen muss, um seinem Kind überhaupt helfen zu können. Rechenaufgaben beispielsweise werden in Zahlenräder, Zielscheiben, Blumen, Mauern, Marsmännchen und noch viele andere grafische Formen verpackt, das Einmaleins wird nicht mehr direkt, sondern über ausgewählte Aufgaben und deren Nachbaraufgaben gelehrt. Neue Rechenverfahren wurden eingeführt, beispielsweise beim schriftlichen Subtrahieren, und auch bei Sachaufgaben ist nicht vorrangig die Lösung wichtig, sondern die konsequente und inhaltlich vollständige Einhaltung der Darstellungsweise einer Vielzahl von Lösungsschritten. Manche Eltern organisieren sich zur Entlastung auch in Lernworkshops, sodass eine Mutter immer gleichzeitig mit drei oder vier Kindern den Unterrichtsstoff wiederholt und vertieft.
Viele Eltern stellen eine Gymnasialisierung der Grundschule fest, zunehmend müssen Inhalte auswendig gelernt und regelrecht gepaukt werden. Darüber hinaus genügt es nicht mehr zu wissen, was grundsätzlich gerade in der Schule durchgenommen wurde, sondern man muss alles sehr detailliert beherrschen, mit Einzel- und Besonderheiten sowie vielen abstrakten Begriffen und vielen Kenntnissen über alles Mögliche, was mit dem Themengebiet zusammenhängen könnte, um potenziell die Anforderungen für eine Eins oder Zwei zu erfüllen. Das schaffen inzwischen auch die âgutenâ Schüler nicht mehr ohne Hilfe.
Allein die Fülle des in den Proben abgefragten Stoffes würde aber bereits ausreichen, die Hausaufgaben und das Ãben zum Problem zu machen: Viele der Eltern, die die Zeit haben, mit ihrem
Kind zu üben, erzählen, dass sie teilweise stundenlang die Aufgaben durchgehen oder zumindest den Stoff wiederholen, den das Kind im Unterricht nicht verstanden oder zu wenig geübt hat. So sitzen Kinder in der dritten Klasse manchmal schon mehrere Stunden täglich zu Hause beim Lernen. Eine Zwei muss es mindestens sein, eine Drei in den Hauptfächern würde in der vierten Klasse für den Ãbertritt nicht reichen. Der Druck ist wahnsinnig.
Da ist Svenja, fast täglich erzählte sie mir, wie ihre Mutter sie wieder angeschrien hatte, und zeigte mir, wie
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