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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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Sachunterricht, Grammatik, Rechtschreibung, Lesen und Geschichtenschreiben. Häufig kommen noch einige in Musik, in Kunsterziehung und in Religion beziehungsweise Ethik dazu, die allerdings teilweise auch durch mündliche oder praktische Leistungen erzielt werden. Selbst die Leistungen im Sport werden ab der zweiten Klasse benotet: Laufen, Werfen, Geräteturnen — dabei sind die Kinder in diesem Alter häufig körperlich noch gar nicht ausreichend weit entwickelt und wollen sich einfach nur bewegen und miteinander spielen, anstatt alle paar Wochen für eine Note vorturnen zu müssen. Generell dürfen und sollten auch in den Hauptfächern mündliche und praktische Noten gemacht werden, das setzt aber voraus, dass für jedes Kind eine vergleichbare Prüfungssituation geschaffen wird, in der es sein Können beweisen kann — was in der Praxis wegen der Vielzahl der Schüler und des Zeitmangels kaum adäquat möglich ist. Oft werden stattdessen die Mitarbeit, die Heftführung oder das Betragen als mündliche oder praktische Note eingetragen, dabei sehen die Vorgaben vor, die reine inhaltliche Leistung, das reine Können zu bewerten. Mindestens drei Noten pro Fach und Halbjahr braucht man deshalb, weil es ja sein könnte, dass ein Kind einmal einen schlechten Tag hat und dann noch die Chance haben soll, diese verhauene Note auszumerzen — auch ein berechtigter Anspruch bei den folgenschweren Konsequenzen, den viele Schulleiter einfordern aus Absicherung vor den Eltern, wenngleich auch diese Vorgabe nicht verbindlich amtlich gegeben ist. Insgesamt sind das über zwanzig Probearbeiten in knapp sechzehn Wochen.
    Sehr fatal ist es für ein Kind, wenn es erkrankt und dadurch Unterricht versäumt. Der Stoff ist kaum nachzuholen, und alles, was im Unterricht besprochen und eventuell in den Proben
abgefragt wird, fehlt völlig. Es geht ja oft auch nicht darum, was ein Kind tatsächlich kann, sondern eben darum, ob es das kann, was im Unterricht durchgenommen wurde und ob es den ausgewählten Kriterien genügt, ob es also teilweise wortwörtlich wiedergeben kann, was die Lehrerin gesagt hat.
    So entstehen abstruse Situationen: Eltern schicken ihr Kind beispielsweise krank zur Schule, mit der Bitte doch anzurufen, wenn es gar nicht mehr ginge. Andererseits behalten sie dann ihr Kind auch schon mal zu Hause, wenn eine Probe ansteht und sich das Kind nicht absolut fit fühlt. Denn wie es einem Kind im Moment der Probe geht, ob die Erkrankung einen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit hatte, das spielt bei der Benotung keine Rolle. Oder aber Eltern schicken ihr Kind sogar in die Schule, wenn es ernsthaft krank ist — nämlich dann, wenn das Kind in der ersten Probe eine schlechte Note geschrieben hat, die es ansonsten rein rechnerisch schon nicht mehr ausgleichen könnte: Bekam es zum Beispiel in der ersten Probe in Mathematik eine Vier, dann sollte das Kind danach wenigstens noch zwei Zweier schreiben, um den Übertritt zu sichern. Denn es ist ja auch nicht entscheidend, welche Fähigkeiten ein Kind am Ende des Schuljahres hat, sondern lediglich, welche Durchschnittsnote sich aus allen Proben errechnet.
    In der Probe selbst kann nur bedingt Rücksicht genommen werden auf Kinder, die den Unterricht versäumt haben. Als Lehrer tut man gut daran, die Inhalte wenigstens noch einmal in den Tagen vor der Probe anzusprechen und zu wiederholen, und auch am Elternabend deutlich zu machen, dass die Kinder selbst für vollständige Hefteinträge und die Nacharbeit verantwortlich sind — so ist man rechtlich abgesichert, unabhängig davon, ob das Kind den Unterrichtsinhalt nun verstanden hat oder nicht. Denn ansonsten wird es heikel: Wie gewichtet man was, welche Frage zählt, welche nicht? Oder sollte man es sich gar antun, wegen eines Schülers noch einmal einige Stunden lang eine Probe zu entwerfen, ebenfalls auf die Gefahr hin, dass sich jemand beschwert, diese sei einfacher oder schwieriger gewesen, nur weil jedes Kind gleich viele Noten haben soll, damit alles gerecht bleibt?

    Aus dem gleichen Grund kann es passieren, dass eine Mutter, die ihr Kind für eine Beerdigung telefonisch vom Unterricht befreien möchte, da ein naher Verwandter gestorben ist, nicht zuerst einmal Anteilnahme erfährt, sondern die Frage hört: „Schreibt ihr Kind denn an diesem Tag eine Probe? Oder am nächsten?“ Noten sind zu einem

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