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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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viel sie üben musste. Hier zwei Diktate, dort noch ein paar Rechenaufgaben. Wenn ich das überschlage, hat sie mindestens zwei Stunden täglich zusätzlich zu der Stunde Hausaufgaben über ihren Schulthemen gebrütet, Zeit für ein Treffen mit Freunden bleibt da nicht.
    Und dort ist der Vater, der nahezu jedes Wochenende die Themen, die in der Schule durchgenommen, zunächst für sich selbst per Internet recherchiert und daraus dann einige Übungsproben erstellt, die seine Tochter durcharbeitet. Nur so sei es überhaupt möglich, sagt er, eventuell einige dieser Fragen vorab besprochen zu haben, die in der Probe als Einser- und Zweierbremse gestellt werden, deren Beantwortung also zeigen soll, dass ein Kind die Anforderungen „in ganz besonderem Maße“ erfüllt. Seine Tochter könne das allein nie schaffen. Im Unterricht, meint der Vater, würden die Inhalte eher oberflächlich durchgenommen werden, auch aus den Hefteinträgen würde nicht viel hervorgehen. Würde die Tochter allein lernen, bekäme sie nie etwas Besseres als eine Vier oder maximal eine Drei. Woher sollte sie auch all die vielen Dinge oder Details wissen, die zu einem Thema noch dazugehören könnten, wenn ihr das Thema an sich bislang völlig unbekannt ist? Aber genau das seien die Inhalte, die eine gute Note ausmachten, es genüge nicht, das zu wissen, was im Unterricht durchgenommen und was im Heft oder im Buch stehen würde. Immerhin: So schaffte es seine Tochter schließlich auf eine höhere Schule, doch auch weiterhin sind die Wochenenden fürs Lernen reserviert. Im Prinzip findet also Homeschooling in Deutschland heute schon
statt. Und manchen Eltern wäre es lieber, wenn ihre Kinder alles daheim lernen könnten und nicht noch „zusätzlich“ in die Schule gehen müssten.
    Eine Mutter fühlt sich zunehmend als überforderte Managerin, sie hat drei Kinder. Mit der Kleinsten muss sie lesen und schreiben üben. Auch beim Rechnen ist Maja noch nicht schnell genug, sagt die Lehrerin, in der letzten Probe bekam Maja nur sieben von fünfzehn Punkten. Wohl auch, weil sie nicht erkannt hat, dass die Aufgabenstellung die gleiche war wie vorher im Unterricht geübt, die Zahlen aber in gezeichneten Steinen, statt in den ihr bisher bekannten Mauern vorgegeben waren. Mit der Mittleren paukt die Mutter täglich die Hefteinträge des Heimat- und Sachunterrichts, hilft ihr bei den Aufsätzen und erstellt mit ihr Lernplakate. Dem Ältesten kann sie kaum noch helfen, hier sucht sie im Internet nach Aufgaben mit Lösungen. Allerdings unterstützt sie ihn bei seinem Referat, erstellt die Präsentation und schaut seine Portfoliomappe auf Rechtschreibfehler durch. Allein würden ihre Kinder die schulischen Themen nicht bewältigen. Es ist einfach zu viel. Und für alles gibt es Noten, alles wird bewertet. Nur dass unser Schulsystem weder das Bemühen des einzelnen Kindes noch individuelle Lernfortschritte honoriert, sondern Ergebnisse beurteilt, egal wie diese zustande gekommen sind.
    Zusätzlich muss diese Mutter aber zu verschiedenen Zeitpunkten kochen, da die Kinder zu unterschiedlichen Zeiten Unterrichtsschluss haben. Außerdem soll wenigstens jedes der Kinder ein Instrument lernen und ein wenig Sport treiben, ein bisschen Freizeit und Zeit für eigene Interessen sollten auch noch vorhanden sein. Ein Bus fährt nicht, mit dem Rad ist es zu weit — also muss die Mutter fahren. Ruhe und Muße gibt es den ganzen Nachmittag nicht, auch nicht für die Kinder. Es geht immer nur um Schule, immer nur darum, alles zu erledigen, alles irgendwie zu schaffen. Dabei vergessen wir oft, dass der Tag für Kinder meist schon um achtzehn Uhr vorbei ist, danach gibt es Essen und es geht ins Bett. Wenn Kinder von der Schule nach Hause kommen, bleiben ihnen also ohnehin nur drei oder vier Stunden.
    Wie unsinnige Vorgaben die Stress—Schraube weiter anziehen
    Bei alldem handelt es sich nicht um kleine Details, die nicht stimmen, sondern um ein System, das nicht stimmt. Dies zeigt sich auch, sobald man versucht, das System zu erhalten und Kleinigkeiten zu verbessern: Es bringt nichts. Keine der Reformen hat wirklich etwas gebracht, weil eben nicht grundlegend reformiert wurde. Ein Beispiel: Bis vor Kurzem war es so, dass Proben nicht angekündigt wurden. Und zwar aus dem Grund, weil die Kinder zeigen sollten, welche Fähigkeiten und welches

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