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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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mehr an sich, sie haben resigniert oder verstecken sich gerade noch hinter einem großen „Ich bin der Tollste und der Coolste“ mit den entsprechenden Verhaltensweisen, um ihre Selbstachtung nicht völlig zu verlieren.
    Mir scheint oft, dass diese Kinder mehr damit beschäftigt sind, sich gegen das Bild zu wehren, das von ihnen gezeichnet und über sie drübergelegt wird, oder einen unnahbaren Schutzwall um sich herum aufzubauen, als Raum und Ruhe zu haben, sich mit Lerninhalten auseinanderzusetzen und sich in ein gutes gemeinschaftliches Miteinander einzubringen. Wie wären wohl all diese Kinder, wenn ihnen all diese Erlebnisse erspart geblieben wären?
    Die falsche Ausrichtung — fehlendes Selbstgefühl
    Noch etwas anderes geschieht durch die Noten. Noten werden per Definition auf eine Leistung gegeben, die bestimmten Kriterien genügt. Kein Wunder, dass die erste Frage vieler Eltern an die Lehrkraft in deren Sprechstunde ist: „Was ist Ihnen denn wichtig?“ Diese Eltern haben verstanden, dass der Lehrer die Kriterien setzt. Oft bin ich mir als Lehrerin nicht einmal bewusst, dass es keinen objektiven Maßstab gibt, sondern walte in bester Absicht und in der Überzeugung, dass meine Kriterien maßgeblich sind und mein Urteil richtig ist. Natürlich übe ich mein Hoheitsrecht der Notengebung verantwortungsbewusst aus, bin überzeugt davon, dass ich — gerade auch aufgrund meiner Erfahrung — den richtigen Unterricht abhalte und die passenden Fragen für die Proben wähle, die ich auch gerecht bewerte und gewichte. Wie schwierig ist es, sich da ein Stück
weit selbst zurückzustellen und sich einzugestehen, dass alle meine Einschätzungen von einem anderen Menschen völlig anders gesehen werden können und dass ich, egal wie verantwortungsbewusst und durchdacht ich Noten vergebe, niemals über ein subjektives Urteil hinauskomme?
    Wir erziehen Kinder damit dahingehend, sich nach anderen Menschen zu richten und fremden Anforderungen zu genügen. Und so, wie viele Kinder daraus ihr Selbstbild entwickeln, nicht zu genügen und damit auch „nicht liebenswert zu sein“, entwickeln oft die „guten“ Kinder das Gefühl, nur liebenswert zu sein, wenn sie eine gute Note haben und die Anforderungen erfüllen. Der dänische Familientherapeut und Autor Jesper Juul beschreibt den wesentlichen Unterschied in seinem Buch „Das kompetente Kind“ sehr genau:
    â€žSelbstgefühl ist unser Wissen und Erleben davon, wer wir sind. Selbstgefühl handelt davon, wie gut wir uns selbst kennen und wie wir uns zu dem verhalten, was wir wissen. Bildlich gesprochen läßt sich Selbstgefühl als eine Art innerer Säule, als Zentrum oder Kern beschreiben. Wir kennen das gesunde, gut ausgeprägte Selbstgefühl als ein Gefühl des In-sich-Ruhens, Sich—Wohlfühlens. Geringes Selbstgefühl wird als konstantes Gefühl von Unsicherheit, Selbstkritik und Schuld erlebt. Das Fundament des Selbstgefühls läßt sich vielleicht am besten kurz mit dem Erleben beschreiben, das die meisten frischgebackenen Eltern hatten, wenn sie zum ersten Mal ihr schlafendes Baby betrachteten: das Gefühl, daß dieser neue Mensch etwas Wunderbares und Wertvolles ist, und zwar ganz allein deshalb, weil er ist! (…) Von innen heraus beschrieben spricht das gesunde Selbstgefühl: ‚Ich bin in Ordnung und wertvoll, ganz allein deshalb, weil ich bin!’ Selbstgefühl ist, ob ausgeprägt oder gering, eine existentielle Qualität. Es ist der Grundton in unserer psychischen Existenz. (…) Selbstvertrauen handelt von dem, was wir können, worin wir gut und tüchtig sind oder dumm und schlecht — das, was wir leisten können.“ 1
    Weiter führt Jesper Juul in diesem Buch aus: „Selbstvertrauen und Selbstgefühl sind von ganz unterschiedlicher Natur. Sie lassen sich nicht unmittelbar miteinander vergleichen, und
sie können nicht eines an die Stelle des anderen treten. Aber auf eine Weise hängen sie zusammen: Wenn man ein gesundes Selbstgefühl hat, ist das Selbstvertrauen selten ein Problem. (Das gilt nicht für das Gegenteil!).“ 2
    Nimmt sich zum Beispiel ein Erwachsener mit einem gesunden und gut entwickelten Selbstgefühl vor, Chinesisch zu lernen, wird er sachlich damit umgehen, wenn er entdeckt, dass seine sprachlichen Talente, die vorhandene Zeit, vielleicht auch die erste

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