Was wir unseren Kindern in der Schule antun
also eine Repräsentation von ihr aus. Daraus folgt, dass eine Sache vergleichsweise neu und interessant sein muss, damit der Hippokampus sie aufnimmt. 23 So erklärt sich, dass wir für uns ganz persönlich wichtige Neuigkeiten nur einmal hören müssen, um sie uns zu merken, oder dass wir uns an für uns wichtige Erlebnisse, wie etwa den ersten Schultag, ein Leben lang lebhaft erinnern können. Der Hippokampus wächst in Abhängigkeit von der Erfahrung, und auch er funktioniert umso besser, je mehr er beansprucht wird. 24
⢠Neutrale Wahrnehmungen oder Lerninhalte werden in Abhängigkeit davon gespeichert, in welchem emotionalen Zustand sie aufgenommen werden. 25 Es spielt eine entscheidende Rolle, dass die dabei empfundene Emotion, ob positiv oder negativ, mit abgespeichert wird und bei jedem weiteren Vergleich mit einem neu ankommenden Wahrnehmungsmuster mitaktiviert wird. Greift man auf Wissen zurück, das in negativem Kontext gespeichert wurde, wird zugleich der Mandelkern aktiviert â mit den beschriebenen Folgen. Man bekommt Angst und kann dadurch das Gelernte nicht effektiv wiedergeben. Auf Wissen, das in Zusammenhang mit positiven Gefühlen gewonnen wird, kann man dagegen sehr gut zurückgreifen.
⢠Nachts im Schlaf 26 wird das tagsüber Gelernte im Gehirn in mehreren Schleifen noch einmal durchlaufen und zum Kortex, der Gehirnrinde, übertragen, wo es langfristig gespeichert wird. Dabei wird nochmals entschieden, was dauerhaft dorthin transferiert wird. 27 Wenn man etwas noch direkt vor dem Schlafengehen lernt, bleibt es besonders gut haften. Die einzelnen Schlafphasen speichern unterschiedliche
Lerninhalte ab: In der Traumphase wird motorisches Lernen abgespeichert, also beispielsweise Klavier spielen, Ballett tanzen, Skifahren, im Tiefschlaf dagegen reines Wissenslernen wie geübte Vokabeln. 28 Experimente zeigen, dass der Schlaf jedoch relativ bald auf das Lernen folgen muss, ansonsten geht der Inhalt verloren. Der begrenzte Speicher des Hippokampus wird dann wohl durch neue Informationen überschrieben, bevor die alten in der GroÃhirnrinde gesichert sind.
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Erwerb komplexer Fähigkeiten
Komplexe, unübersichtliche Sachverhalte überfordern zunächst das Gehirn. Deshalb werden sie von diesem so gefiltert, dass zunächst nur einfache, aber grundlegende Aspekte gelernt werden, wohingegen später auch komplexe Strukturen verarbeitet und gelernt werden können. Ein Gehirn, vor allem, wenn es noch im Entwicklungsstadium ist, akzeptiert immer nur jene Lernerfahrungen, die es schon verarbeiten kann. 29 Zwischen Reifung und Lernen besteht eine Wechselwirkung. Kleine neuronale Netzwerke können nur einfache Strukturen in sich repräsentieren, groÃe Netzwerke dagegen auch komplizierte. Ist ein kleines Netzwerk mit einer komplizierten Struktur konfrontiert, kann es mit dieser nichts anfangen. Es wird nur das gelernt, was auch verarbeitet werden kann, so lernt das Kleinkind zunächst einfache sprachliche Strukturen. Das geschieht also nicht, weil ihm zuerst einfache Strukturen beigebracht werden, sondern weil es zunächst nur einfache Strukturen verarbeiten kann. Das Gehirn sucht sich automatisch aus dem variantenreichen Input das heraus, was es lernen kann. 30 Hat es erst einmal einfache Strukturen gelernt und reift danach zu etwas mehr Verarbeitungskapazität heran, dann wird es neben diesen einfachen Strukturen zusätzlich komplexere Strukturen als solche erkennen, verarbeiten und daher auch lernen. Da nach wie vor auch einfache Strukturen im Input vorhanden sind, verarbeitet und weitergelernt werden, werden diese auch nicht vergessen: Das Komplexere wird dazugelernt, das Einfache behalten. Weil das Gehirn reift und gleichzeitig lernt, ist gewährleistet, dass es in der richtigen Reihenfolge lernt. So wiederum ist gesichert, dass es überhaupt komplexe Zusammenhänge lernen kann und auch lernt. 31
Zu diesem Wechselspiel muss aber noch die Ãbung kommen, wie etwa beim Laufenlernen: erst durch Ãbung und hartes Training werden
die Laufbewegungen flieÃender und effizienter. Das ständige, langwierige Training des Kindes hilft maÃgeblich mit, die Abläufe im Gehirn zu stabilisieren. 32
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Wie lernt das Gehirn Regeln?
Regeln lernt das Gehirn nicht dadurch, dass es diese auswendig lernt, sondern durch das ständige Erleben und Ãben vieler Beispiele, die nach diesen Regeln ablaufen. Dies gilt sowohl
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