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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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sie verstärken sich sogar. Wenn das eine Neuron aktiviert wird, wird das andere Neuron höchstwahrscheinlich in Zukunft gleich mitaktiviert. Die Erfahrung, also die Umwelt des Kindes, entscheidet, wie sich das Gehirn dauerhaft für eine bestimmte Art des Denkens, Wahrnehmens oder Handelns verschaltet. Durch zunehmende Vernetzung der Nervenzellen und deren Myelinisierung durch häufiges Nutzen werden aus Feldwegen Autobahnen des Datentransports im Gehirn.
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    Sensible Phasen — Zeitfenster
    Solange ein Überschuss an Synapsen da ist, bleibt das Gehirn in höchstem Maße formbar und kann sich in eine Vielzahl verschiedener Richtungen entwickeln. Ein Neugeborenes ist zum Beispiel sensibel auf alle etwa siebzig Phoneme (kleinste lautliche Einheiten), die es in den insgesamt über achttausend Sprachen der Welt gibt. Jedes Kind könnte in einer entsprechenden Umgebung mühelos Chinesisch
lernen und verstehen. Ein Kind, das Deutsch sprechen lernt, beschränkt sich dann auf etwa vierzig Phoneme. 14
    Ist der Synapsenüberschuss erst einmal abgebaut, so sind die sensiblen Phasen für bestimmte Fähigkeiten, in erster Linie sensorische Reizwahrnehmungen und motorische Prozesse, beendet. In sensiblen Phasen erlernen Kinder bestimmte Fähigkeiten besonders effektiv und schnell, zum Beispiel das Sprechen oder Laufen. Man erkennt das sich öffnende „Zeitfenster“ für den Erwerb einer bestimmten Fähigkeit daran, dass sich das Kind für das Thema zu interessieren beginnt, um das es jetzt in seiner Entwicklung geht und wofür sein Gehirn inzwischen gereift ist. Dann sollte es auch entsprechend angeregt und ermuntert werden. Sonst verkümmert diese Anlage. Ein späteres Lernen erfordert wesentlich mehr Mühe, da es dann über andere Gehirnstrukturen organisiert wird.
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    Die Reifung des Gehirns
    Das Gehirn reift nicht in allen seinen Teilen gleichmäßig. Bis zur Pubertät folgen immer wieder Phasen des Abbaus von Verbindungen auf Phasen des Aufbaus in den einzelnen Arealen. Etwa ein Drittel der im ersten Lebensjahr im Überschuss bereitgestellten Nervenzellverknüpfungen geht dabei verloren, bei manchen Kindern deutlich mehr, bei anderen weniger. Diese Verluste, die schon vor Schuleintritt, aber noch bis zur Pubertät auftreten, entscheiden, wie gut ein Kind lernt. Das Ausmaß dieser Verluste hängt nach Meinung des Neurobiologen Gerald Hüther 15 davon ab, ob und in welchem Umfang die beiden Grundbedürfnisse gestillt werden können, mit denen alle Kinder auf die Welt kommen: das Bedürfnis nach Verbundenheit einerseits, die sich in Geborgenheit, Anerkennung und Wertschätzung ausdrückt, und das Bedürfnis nach Wachstum andererseits, also Entfaltung, Autonomie und Freiheit. Erst spät, beginnend im Schulalter bis ins frühe Erwachsenenalter, werden die Verbindungen zu den Arealen im vorderen Teil der Großhirnrinde, dem frontalen Kortex , mit Myelin versehen und damit vollständig in die Informationsverarbeitung integriert. 16 Hier sind die höchsten geistigen Fähigkeiten des Menschen repräsentiert, das heißt, sogenannte Repräsentationen von hochstufigen Regeln, komplexen Zusammenhängen und Bewertungen gespeichert. Der frontale Kortex ist in die Informationsverarbeitung anderer Hirnteile auf ganz bestimmte Weise eingebunden,
er steuert gleichsam die neuronale Aktivität einfacherer Areale. Im frontalen Kortex werden die Werte für Handlungen festgelegt und ermöglicht, zielgerichtet zu handeln oder triebhaftes Handeln zu hemmen. Er bildet zudem das Arbeitsgedächtnis, in ihm ist Information repräsentiert, die unmittelbar relevant ist für das, was jetzt und hier geschieht. Der frontale Kortex kann rasch auf Veränderungen reagieren, indem er von Augenblick zu Augenblick neue Erwartungen bildet und diese mit dem, was geschieht, vergleicht.
    Das Gehirn ist nicht statisch, wie man noch vor wenigen Jahren glaubte, sondern es passt sich den Bedingungen und Gegebenheiten der Umgebung zeitlebens an. 17 Es ist die Lebenserfahrung eines jeden Menschen, die sein Gehirn zu etwas Einzigartigem macht.
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    Repräsentationen im Gehirn — Erinnerungsbilder
    Eine Repräsentation 18 ist ein Neuron mit ganz bestimmten Synapsenstärken der eingehenden Verbindungen. Diese sorgen dafür, dass das Neuron nur dann aktiv wird, wenn ein bestimmtes Muster als Eingangssignal (Input) vorliegt. Das Gehirn ist

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