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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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Finger in die Brust.
    »Unter dem Fenstersitz«, flüstert Marlena hastig. Sie steht auf,
umrundet den Tisch und stellt sich neben mich. »Den Sitz kann man hochklappen.
Das Geld ist in einer Kaffeedose. Aber für mich ist es wahrscheinlich einfacher …«
    »So, jetzt muss ich dich rausbringen«, sagt Earl. Er wirbelt mich
herum und verdreht mir den Arm hinter dem Rücken. Dann zwingt er mich vornüber.
    Ich drehe den Kopf, um Marlena anzusehen. »Ich hole es. Du gehst
nicht wieder in dieses Abteil. Versprich es!«
    Ich zapple ein bisschen, und Earl lässt mich.
    »Ich sagte, versprich es!«, zische ich.
    »Ich verspreche es«, sagt Marlena. »Sei vorsichtig!«
    »Lass mich los, du Dreckskerl!«, brülle ich Earl an. Natürlich nur
zur Schau.
    Wir verlassen das Zelt mit einem ordentlichen Spektakel. Ich frage
mich, ob es jemandem auffällt, dass er meinen Arm nicht so weit hochzieht, dass
es wehtun würde. Aber dieses Detail macht er wett, indem er mich gute drei
Meter über die Wiese schleudert.
    Den gesamten Nachmittag über spähe ich um Ecken, schlüpfe hinter
Zelttüren oder ducke mich unter Wagen. Aber nicht einmal schaffe ich es
unbeobachtet bis zu Wagen 48 – außerdem habe ich August seit dem Essen nicht
mehr gesehen, deshalb ist es gut möglich, dass er in dem Wagen ist. Also warte
ich weiter auf den richtigen Moment.
    Es gibt keine Matinee. Gegen drei Uhr nachmittags stellt sich Onkel
Al mitten auf dem Platz auf eine Kiste und verkündet allen, die
Abendvorstellung solle lieber die beste ihres Lebens sein. Er sagt nicht, was
ansonsten geschieht, und niemand fragt.
    Und so wird aus dem Stegreif ein Umzug auf die Beine gestellt, nach
dem die Tiere in die Menagerie gebracht werden, während die Verkäufer an ihren
Ständen Süßigkeiten und andere Waren feilbieten. Die Menge, die dem Umzug von
der Stadt aus gefolgt ist, versammelt sich in der Budengasse, und wenig später
redet Cecil auf die Tölpel vor der Kuriositätenschau ein.
    Ich lehne von außen am Menageriezelt und ziehe die
zusammengeschnürten Kanten auseinander, um einen Blick hineinzuwerfen.
    August bringt Rosie gerade hinein. Er wedelt mit dem Stock mit der
Silberspitze unter ihrem Bauch und hinter ihren Vorderbeinen herum, was nichts
anderes ist als eine Drohung. Sie folgt ihm gehorsam, aber in ihrem Blick liegt
Feindseligkeit. Er führt sie an ihren üblichen Platz, wo er einen ihrer Füße an
einen Pflock kettet. Mit angelegten Ohren betrachtet sie seinen gekrümmten
Rücken, dann scheint sie ihre Haltung zu ändern. Neugierig tastet sie mit dem
Rüssel den Boden vor sich ab und findet einen Leckerbissen. Sie hebt ihn auf,
rollt den Rüssel ein und reibt das Fundstück gegen seine Innenseite, um es zu
untersuchen. Dann steckt sie es sich ins Maul.
    Marlenas Pferde stehen bereit, aber sie selbst ist noch nicht da.
Die meisten Gadjos sind schon ins Chapiteau durchgegangen. Sie müsste längst
hier sein. Komm schon, Marlena, komm schon, wo bleibst du …
    Mir fällt ein, dass sie wahrscheinlich trotz ihres Versprechens in
ihr Abteil gegangen ist. Verdammt, verdammt, verdammt. August fummelt immer
noch an Rosies Kette herum, aber er wird ihr Fehlen bald bemerken und nach ihr
sehen.
    Jemand zupft mich am Ärmel. Mit geballten Fäusten wirble ich herum.
    Grady hebt abwehrend die Hände. »He, langsam, Kumpel. Immer mit der
Ruhe.«
    Ich senke die Fäuste. »Ich bin nur etwas nervös, das ist alles.«
    »Na ja, hast ja auch allen Grund«, sagt er und schaut sich um. »Sag
mal, hast du schon was gegessen? Ich hab gesehen, wie du aus dem Küchenbau
geflogen bist.«
    »Nein«, antworte ich.
    »Komm mit. Wir gehen hintenrum zur Burgerbude.«
    »Nein. Geht nicht, ich bin völlig pleite.« Ich will ihn unbedingt
loswerden. Ich drehe mich zur Zeltnaht und ziehe die Kanten auseinander.
Marlena ist immer noch nicht da.
    »Ich geb dir einen aus.«
    »Ich brauche nichts, ehrlich.« Ich kehre ihm weiter den Rücken zu,
in der Hoffnung, dass er den Wink versteht und verschwindet.
    »Hör mal, wir müssen reden«, sagt er leise. »In der Budengasse ist
es sicherer.«
    Ich wende den Kopf, unsere Blicke treffen sich.
    Dann folge ich ihm in die Budengasse. Im Chapiteau stürzt sich das
Orchester in die Musik für die Parade.
    Wir stellen uns vor der Burgerbude an. Der Mann hinter der Theke
wendet das Fleisch schnell wie der Blitz und macht Burger für die wenigen, aber
begierigen Nachzügler.
    Grady und ich arbeiten uns in der Schlange vor. Er hält zwei

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