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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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fuchtelt.
    »Kannst du zu unserem Abteil kommen?«, fragt Marlena. »Es dauert
auch nicht lange.«
    »Ja, natürlich.«
    Sie dreht sich um und geht behutsam zur Tür. An den Füßen trägt sie
Schlappen, keine Schuhe. Sie setzt sich auf die Kante und lässt sich
heruntergleiten. Ich beobachte sie einen Moment lang und bin erleichtert, dass
sie sich zwar vorsichtig bewegt, aber nicht mehr sichtbar humpelt.
    Dann schließe ich die Tür.
    »Mann, oh Mann«, sagt Walter kopfschüttelnd. »Ich hatte beinahe
einen Herzinfarkt. Scheiße, Mann. Was machen wir hier bloß?«
    »He, Camel«, rufe ich. »Ist da hinten alles klar?«
    »Ja«, antwortet eine dünne Stimme hinter den Truhen. »Glaubst du,
sie hat was gesehen?«
    »Nein. Du bist sicher. Vorerst. Aber wir müssen sehr vorsichtig
sein.«
    Marlena sitzt mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem
Plüschstuhl. Als ich hereinkomme, beugt sie sich gerade vor und reibt sich über
den Spann eines Fußes. Dann sieht sie mich, hält inne und lehnt sich zurück.
    »Jacob. Danke, dass du gekommen bist.«
    »Gerne.« Ich nehme meinen Hut ab und drücke ihn mir linkisch an die
Brust.
    »Bitte, setz dich.«
    »Danke«, antworte ich und setze mich auf die Kante des nächsten
Stuhls. Ich sehe mich um. »Wo ist August?«
    »Er und Onkel Al treffen sich mit den Eisenbahnbehörden.«
    »Oh. Etwas Ernstes?«, frage ich.
    »Nur Gerüchte. Jemand hat behauptet, wir hätten Leute aus dem Zug
geworfen. Das können sie sicher klären.«
    »Gerüchte. Genau«, sage ich. Ich spiele mit meiner Hutkrempe und warte.
    »Also … ähm … ich habe mir Sorgen um dich gemacht«, sagt sie.
    »Wirklich?«
    »Geht es dir gut?«, fragt sie leise.
    »Ja. Natürlich«, antworte ich. Dann dämmert mir, was sie da fragt.
»O Gott, nein, es ist nicht so, wie du denkst. Der Arzt war nicht für mich. Ich
brauchte ihn für einen Freund, und es ging auch nicht um … um so was .«
    »Oh«, sagt sie mit einem nervösen Lachen. »Das freut mich sehr. Es
tut mir leid, Jacob. Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Ich habe
mir nur Sorgen gemacht.«
    »Mir geht es gut, wirklich.«
    »Und deinem Freund?«
    Ich halte einen Moment lang den Atem an. »Nicht so gut.«
    »Kommt sie wieder in Ordnung?«
    »Sie?«, frage ich überrascht.
    Marlena senkt den Blick und ringt die Hände. »Ich hatte angenommen,
es geht um Barbara.«
    Erst huste ich, dann ringe ich nach Luft.
    »O Jacob, du meine Güte. Was für ein Schlamassel. Es geht mich gar
nichts an. Wirklich. Bitte entschuldige.«
    »Aber ich kenne Barbara doch kaum.« Ich werde so rot, dass meine
Kopfhaut kribbelt.
    »Schon gut. Ich weiß, sie ist eine …« Marlena verkrampft ihre Finger
ineinander und stockt mitten im Satz. »Na ja, sie ist trotzdem in Ordnung.
Ziemlich anständig sogar. Aber du solltest …«
    »Marlena«, sage ich nachdrücklich genug, um sie zum Schweigen zu
bringen. Ich räuspere mich und fahre fort: »Ich habe nichts mit Barbara. Ich
kenne sie kaum. Wir haben vielleicht ein Dutzend Worte miteinander gesprochen.«
    »Oh«, sagt sie. »Aber Auggie meinte …«
    Eine ganze Weile sitzen wir in quälendem Schweigen beieinander.
    »Deinen Füßen geht es also besser?«, frage ich.
    »Ja, danke.« Sie hält die Hände so verkrampft, dass die Knöchel weiß
hervortreten. Sie schluckt und heftet den Blick auf ihren Schoß. »Ich wollte
mit dir noch über etwas anderes reden. Darüber, was in der Gasse passiert ist.
In Chicago.«
    »Das war allein meine Schuld«, werfe ich ein. »Ich weiß nicht, was
über mich gekommen ist. Vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit oder so was. Es
tut mir so leid. Ich verspreche, es wird nie wieder passieren.«
    »Oh«, sagt sie leise.
    Verblüfft sehe ich auf. Wenn ich mich nicht sehr irre, habe ich es
gerade geschafft, sie zu beleidigen. »Das soll nicht heißen … Nicht, dass du
nicht … Ich meine nur …«
    »Soll das heißen, du wolltest mich nicht küssen?«
    Ich lasse den Hut fallen und hebe die Hände. »Marlena, bitte hilf
mir. Ich weiß nicht, was du hören willst.«
    »Es wäre nur leichter, wenn es nicht so wäre.«
    »Wenn was nicht so wäre?«
    »Wenn du mich nicht hättest küssen wollen«, sagt sie leise.
    Mein Kiefer bewegt sich, aber es dauert einen Moment, bevor ich
sprechen kann. »Marlena, was willst du damit sagen?«
    »Ich … Ich weiß es nicht genau. Ich weiß kaum noch, was ich denken
soll. Ich konnte nicht aufhören, an dich zu denken. Ich weiß, meine Gefühle
sind nicht richtig, aber

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