Wasser-Speier
voll. Danach fühlte er sich be s ser denn je, wenn auch etwas wacklig auf den Beinen.
Sie setzten ihren Marsch fort. Doch es dauerte nicht lange, da vernahmen sie ein Knurren. »Das hört sich nach einem Drachen an«, meinte Iris. Ihrem Tonfall zufolge war sie nicht sonderlich erbaut davon.
»Natürlich ist es ein Drache«, versetze Mentia. »Was glaubst du wohl, wessen Weg das hier ist?«
»Das nenne ich Unheil stiften«, brummte Iris.
»Isch gehe vor und bresche ihm die Schäne auschm Maul – die kann er sisch gern an mir auschbeischen«, schlug Gary vor.
»Du hast leider vergessen, daß du kein Steintier mehr bist, so n dern ein Mann aus Fleisch und Blut«, sagte Iris. »Und ich bin auch keine ledrige, ausgemergelte Hülse mehr, sondern ein saftiges ju n ges Ding. Nein, mein Lieber, jetzt stehen wir vor einem echten Problem.«
Aus irgendeinem Grund waren Garys Denkprozesse plötzlich ein wenig verworren, doch begriff er immerhin, daß Iris recht ha t te. Der Drache würde sie auffressen wollen – und zwar beide. »Vielleicht sollten wir versch… von scheinem Weg verschwinden.«
»Zu spät«, warf Mentia fröhlich ein. »Da kommt der Drache schon!«
»Warum hast du uns nicht vorher gesagt, daß das ein Drache n weg ist?« wollte Iris wissen.
»Ihr habt mich ja nicht gefragt.«
»Das klingt viel zu vernünftig, als daß es der wirkliche Grund sein könnte.«
»Du hast recht. Für vernünftige Gründe bin ich zu verrückt.«
Inzwischen kam der Drache auf sie zugejagt. Gary wußte nicht so recht, was für ein Exemplar es war – ein Raucher, ein Dampfer oder ein Feueratmer; denn um sein Maul hingen Rauchwölkchen, während aus seinen Ohren zischende Dampfschwaden hervorfu h ren und in den Augen Feuer blitzte. Die riesigen Vorderklauen rissen tiefe Furchen ins Erdreich. Schon sperrte er das gewaltige Maul auf, um seine ersten Opfer zu verschlingen – und das war zufälligerweise Mentia.
Natürlich funktionierte es nicht. Die Zähne fuhren wirkungslos durch die Dämonin hindurch. »Was soll das denn?« fragte sie und hauchte dabei gelangweilt auf ihre Fingernägel.
Der Drache stieß ein feuriges, angewidertes Schnauben aus, als er begriff, womit er es zu tun hatte. Dann richtete er seine Au f merksamkeit kurzerhand auf den nächsten Happen – nämlich Iris.
Plötzlich trat eine Riesenschlange an die Stelle der jungen Frau. Sie war von gewaltiger Statur und knallgrün, hob den unförmigen Kopf und bleckte die säbelartigen Zähne. Das Maul war groß g e nug, um den ganzen Schädel des Drachen zu verschlingen. »Wasss ssoll dasss?« zischte das Untier.
Der Drache erbleichte, und sein Feuer erlosch. »Tschuldigung, Naga«, erwiderte er zischend. Dann machte er schleunigst kehrt, und schon einen Dreiviertelaugenblick später war er verschwu n den.
»Aber du gehörst doch gar nicht zum Volk der Naga!« protestie r te Gary leicht verwirrt.
Iris erschien aufs neue, kaum daß die Schlange verschwunden war. »Woher sollte der Drache das wissen? Er hat nur gesehen, wie eine Frau sich in eine Schlange verwandelte, genau wie die Naga es zu tun pflegen. Ich glaube, seine Schlußfolgerung war durchaus stimmig.«
Das hatte sie allein mit ihrer Illusion vollbracht! »Du hast uns das Leben gerettet«, bemerkte Gary matt.
»Ach, ich wollte nur nicht zulassen, daß das Ding uns auffrißt«, erwiderte sie. »Wozu sollte das gut sein – sich auf einer Queste auffressen zu lassen?«
Gary begriff, daß es durchaus seine Vorteile hatte, eine Zauberin dabei zu haben. Ihre Macht der Illusion konnte ihnen ebenso gute Schutzdienste leisten wie alle wirklichen Waffen, sofern der Feind nicht den Unterschied erkannte.
Sie gingen weiter, doch da zeigte sich auch schon die nächste Gefahr: Ein hungriger Rokh erspähte sie, als sie gerade eine kleine Ebene überquerten. Er legte die Flügel aneinander und stürzte auf sie zu. Doch da erschien um sie herum plötzlich ein Felsbrocken. Gary befand sich im Innern des Brockens; trotzdem wirkte er durchaus echt. Der Rokh blinzelte, zuckte mit den Schnabel und wich dem Stein aus – offenbar in dem Glauben, sich getäuscht zu haben.
»Vögel sind nicht gerade übermäßig schlau«, bemerkte Iris.
Das konnte Gary zwar nachvollziehen – andererseits wäre auch er lieber ausgewichen, wäre er der Vogel gewesen; denn der Fel s brocken sah wirklich furchtbar echt aus. Andererseits fragte er sich, was passieren würde, sollte irgendeine Kreatur den Bluff durchschauen und einfach durch
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