Wasser-Speier
Offenbar hatten sie den Drachenweg inzwischen hinter sich gelassen und befanden sich nun auf einer weniger gefährlichen Route.
»Jetzt erkenne ich ihn wieder!« rief Iris. »Das ist einer der ve r zauberten Pfade.«
»Ja. Wir sind an der Brücke auf das verzauberte Wegenetz gest o ßen«, bestätigte Mentia.
»Und ich habe mir die ganze Zeit Gedanken gemacht, wie ich die nächsten Ungeheuer abwehren soll. Warum hast du uns nichts davon gesagt?«
Mentia zuckte die Schultern. »Warum habt ihr mich nicht g e fragt?«
Iris beschloß, diese Gegenfrage zu ignorieren. »Und wo befindet sich nun das Heim des Golems?«
»Unmittelbar nördlich der Spalte. Sie leben in einem Keule n haus.«
»Nördlich der Spalte!« Gary war davon ausgegangen, daß es sich südlich der Spalte befinden mußte. Hätten sie sich sonst mit U n geheuern abgeplagt, wenn sie eine viel kürzere, gefahrlosere Str e cke hätten nehmen können? Gary machte sich im Geiste eine N o tiz, der Dämonin nicht mehr blind zu vertrauen – es war zu ri s kant.
Derweil hatte sich das Unbehagen in seinem mittleren Körperb e reich verstärkt. Vielleicht war sein schwacher Menschenkörper ja einfach nur müde.
Sie erreichten eine Lagerstelle. »Wir können genausogut hier Halt machen«, meinte Iris. »Es ist schon spät am Tag.«
»Ja«, erwiderte Gary.
Sie musterte ihn. »Du siehst aus, als wäre dir nicht besonders wohl.«
»Das stimmt. Aber Hunger habe ich nicht.«
Iris überlegte. »Bist du wirklich noch nie ein Fleischwesen g e worden? Hast du noch nie etwas essen müssen?«
»Nein, nie.«
»Dann weiß ich vielleicht, was dir zu schaffen macht. Du solltest dich mal zu dem Toilettenbaum dort hinten begeben und die S a che erledigen.«
»Welche Sache erledigen?« wollte Gary wissen. »Ich habe wir k lich keine große Lust, jetzt auch noch irgend etwas Anstrengendes zu tun.«
»Dann geh einfach dorthin. Vielleicht kommst du ja selbst da r auf.« Da fiel ihr noch etwas anderes ein. »Es wäre wohl besser, vorher die Kleidung abzulegen.«
»Was hat meine Kleidung denn damit zu tun?«
Sie zuckte die Schultern. »Das wirst du schon selbst herausfinden müssen.«
Also begab Gary sich zu dem Toilettenbaum, trat dahinter und zog sich die sperrigen Kleider aus. Ihm war immer noch unbeha g lich zumute.
Da sah er etwas vorbeitreiben. Es sah aus wie ein Fleck. Ihm folgte ein zweiter Fleck, dann ein dritter.
»Fühlst du dich jetzt besser?« fragte Iris, als Gary sich in der Mitte der Lagerstelle wieder zu ihr gesellte.
»Viel besser.« Und so war es auch. Merkwürdig daran war nur, daß er sich nicht daran erinnern konnte, was am Toilettenbaum passiert war. Erst hatte er drei dahintreibende Flecken erblickt, und nun war er plötzlich wieder hier, vollständig bekleidet und ohne irgendwelche Beschwerden. Offensichtlich hatten diese Fl e cken ihn vergessen lassen, was immer dort geschehen war – sofern überhaupt irgend etwas stattgefunden hatte.
»Dann mußt du auch die Ellipsen gesehen haben«, meinte Iris.
»Die Ellipsen?«
»Die drei Flecken. Die überdecken alles, was unaussprechlich ist. Zum Beispiel das Herbeirufen des Storchs oder die natürlichen Körperfunktionen. Das macht es uns möglich zu leben, ohne ständig erröten zu müssen.«
Das erklärte die Sache natürlich. Doch inzwischen war Gary wieder hungrig. Glücklicherweise wuchs direkt am Lager ein Past e tenstrauch, an dem vielerlei verschiedene Pasteten hingen, und auch Milchschoten gab es. Sie hatten alles, was sie brauchten.
Als die Sonne unterging, bereiteten sie Ruhestätten aus Kissen und Decken, die sie frisch von ihren Sträuchern gepflückt hatten, und legten sich zur Nacht nieder. Gary hatte nie verstanden, we l chen Zweck Kissen eigentlich erfüllten, doch nun, da er aus Fleisch war, wußte er ihre Bequemlichkeit durchaus zu schätzen. Entspannt streckte er sich aus – und fand sich in einem merkwü r digen anderen Reich wieder.
»Ho!« rief er erschreckt.
»Was ist denn nun schon wieder?« fragte Iris schläfrig von ihrer Bettstätte aus.
»Ich bin irgendwo anders gewesen, da war alles ganz zersplittert und durcheinander.«
»Ach, du hast nur geträumt.«
»Geträumt?«
»So was tun Lebewesen nun mal im Schlaf.«
»Aber ich habe lauter komische Dinge gesehen und getan. Und dabei war ich ganz wach.«
»Im Traum warst du zwar wach, aber im wirklichen Leben hast du geschlafen. Wenn du träumst, betritt deine Seele das Kürbi s reich. Dort bekommst du die
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