Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wasser-Speier

Wasser-Speier

Titel: Wasser-Speier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
den Illusionsschleier hindurc h stoßen.
    Sie gelangten in ein tiefes Tal. In der Mitte befand sich eine Schlucht, vielleicht ein Seitenarm oder -bein der großen Spalte Xanth, deren Abzweige sich weitläufig verteilen.
    »Wie sollen wir diese Schlucht überqueren?« fragte Gary, als sie schließlich am Rand standen. Inzwischen schwindelte ihm etwas weniger, was auch gut so war; denn es wäre alles andere als günstig gewesen, hätte er ausgerechnet jetzt das Gleichgewicht verloren und wäre in die Tiefe gestürzt.
    »Es muß hier irgendwo eine Brücke geben«, bemerkte Iris. »Stimmt’s Dämonin?«
    Mentia erschien. »Sicher. Direkt hinter der Baumgruppe im No r den.«
    Doch da erschien eine weitere Bedrohung. Diesmal handelte es sich um eine wahrhaft furchtbare Kreatur mit dem Kopf einer Schlange, dem Körper eines Löwen, gespaltenen Hufen und einem gewaltigen Stachel. Als das Untier sie erspähte, stieß es ein gräßl i ches Geräusch aus.
    »Das ist Lästermaul«, bemerkte Mentia interessiert. »Es hat ta u send Zungen und läßt nichts gelten, nicht einmal eine Naga oder einen Felsbrocken. Tja, welche Illusion soll euch jetzt noch he l fen?«
    »Das wirst du schon sehen«, versetzte Iris. Sie blickte sich um. »Dieser Spaltenabzweig ist höchst unregelmäßig.«
    »So ist das nun mal bei Spaltenabzweigungen«, stimmte Gary ihr zu und behielt das Untier dabei ängstlich im Auge. Als er noch aus Stein bestand, hatten solche Kreaturen ihn kaum interessiert, doch jetzt, in seiner schwächlichen Fleischgestalt als Mensch, fühlte er sich äußerst schutzlos.
    »Gehen wir mal um den Zacken da vorn herum«, schlug Iris vor.
    »Wird das Ungeheuer nicht einfach dem Rand folgen, wie wir es tun, und uns dann doch noch erwischen, vielleicht mit ein bißchen Verzögerung?«
    »Wir müssen’s versuchen.«
    Schnell umschritten sie den Zacken, bis die Kluft zwischen ihnen und dem Untier lag; dann drehten sie sich um. Gary reagierte übe r rascht: Offensichtlich hatte er die Lage der zackigen Kluft falsch eingeschätzt, denn sie hatten sie anscheinend doch nicht hinter sich gelassen. »Wir sollten lieber ein Stück weitergehen«, meinte er.
    »Nein, das genügt schon«, erwiderte Iris.
    »Aber…«
    »Vertrau mir, Steintier.«
    Gary traute ihrem Urteilsvermögen zwar nicht; aber da es ja kaum einen Unterschied machte, blieb er bei ihr stehen, um Lä s termaul zu erwarten. Das Ungeheuer war gräßlich, vor allem w e gen des Getöses, das es veranstaltete. Es schien wirklich den Mund voller Zungen zu haben, von denen jede einzelne gellende Schreie ausstieß. Kein Zweifel – das Wesen hatte es auf Tohuwabohu a b gesehen.
    Es kam direkt auf sie zugeschossen. Gary blickte sich verzweifelt um und versuchte, irgend etwas ausfindig zu machen, das er in seinem armseligen Menschenkörper als Waffe hätte benutzen kö n nen, doch es war nichts zu sehen als Erdreich, das seitlich bis zum Rand der Kluft führte.
    Die Schreie des Untiers nahmen eine ohrenbetäubende Lautstä r ke an. Jetzt war es nur noch drei Sätze und zehn Schritte von i h nen entfernt, und es gab nichts, das es noch hätte aufhalten kö n nen, nicht einmal die Illusion einer Wand. Dennoch wirkte Iris völlig unbekümmert. Sie hob sogar die gespreizte Hand, legte den Daumen an die Nase und zeigte dem Ungeheuer die wackelnden Finger.
    Das schien Lästermaul noch wütender zu machen. Es legte an Geschwindigkeit zu und jagte über den glatten Sand auf sie zu.
    Und verschwand plötzlich. Nur seine Schreie hallten noch aus dem Erdreich hervor.
    Dann löste Iris ihre Illusion wieder auf. Die zackige Kluft e r schien aufs neue, genau dort, wo Gary sie zuerst vermutet hatte. Die Zauberin hatte sie mit einer Illusion aus Sand zugedeckt. Das Ungeheuer war darauf hereingefallen und kopfüber in die Tiefe gestürzt.
    »Lästermäuler sind laut, aber nicht besonders schlau«, bemerkte die Zauberin und setzte ihren Marsch in Richtung Norden fort.
    Gary fiel auf, daß er selbst auch nicht gerade mit Klugheit g e glänzt hatte. Er war gar nicht darauf gekommen, daß die Illusion auch etwas abdecken konnte, was überhaupt nicht da war – so, wie sie Nichtvorhandenes erscheinen lassen konnte.
    Im Gehen stellte Gary fest, daß er im mittleren Körperbereich schon wieder Unbehagen verspürte. Diesmal aber war es kein Hunger, und er versuchte, gar nicht darauf zu achten.
    Bald hatten sie die Brücke erreicht und überquerten sie. Der Weg führte weiterhin in ungefähr westliche Richtung.

Weitere Kostenlose Bücher