Wasser-Speier
gesehen haben, als sie noch eine prächtige steinerne Stadt waren.«
»Woher weißt du davon?« fragte der Meermann.
»Ich bin ein Wasserspeier. Wir bewundern Gestein. Ich wünsc h te, ich könnte diese Anlage in ihrer früheren Größe schauen. Vie l leicht gab es dort auch Wasserspeier.«
»Die gab es, genau wie alle möglichen anderen Wesen. Aber sie war zum Untergang verdammt.«
»Ob sie wohl den Philter hatten?« meinte Gary nachdenklich.
»Den Philter!« rief der Meermann. »Hinter dem bist du her?«
»Ja, das ist meine Queste. Weißt du, wo er ist?«
»Hol ihn bloß nicht!« rief der Meermann bestürzt. »Der ist g e fährlich. Kehr auf deine Seite des Schleiers zurück!«
»Dann war er also tatsächlich hier!« jubelte Gary. »Und er muß noch immer hier sein, weil er nicht sterblich ist wie das fleischerne Volk. Ich muß ihn unbedingt haben!«
»Laß ab von diesem Unheil«, sagte der Meermann. »Ich werde dir nicht dabei helfen, dieses Ding zu bergen.« Dann schwamm er mit solcher Wucht davon, daß sein Schwanz das gesamte Mäusefeld aufwühlte und die Szene sich in Unschärfe auflöste.
Doch Gary wußte jetzt wenigstens, daß seine Queste nicht ve r geblich war. Der Philter befand sich tatsächlich hier zwischen den Ruinen – er mußte ihn nur noch finden.
8
Belebung
Am Morgen waren die anderen bereit, von der Queste abzulassen – bis auf Überraschung, die emsig nach farbigen Kieseln suchte. Doch Gary ließ nicht mit sich reden. »Ich weiß, daß der Philter hier ist«, verkündete er.
»Woher willst du das wissen?« fragte Iris abfällig.
»Das Sternbild hat es mir gesagt.«
»Das was?«
»Das Meermann-Sternbild, das ich letzte Nacht am Himmel sah. Der Meermann hat die Stadt gekannt, bevor sie verfiel, und er sa g te, daß der Philter dort war. Außerdem hat er mir aufgetragen, ihn nicht zu holen.«
»Ein sprechendes Sternbild?« fragte Hiatus verwundert.
»Vergiß nicht, wir befinden uns im Gebiet des Wahnsinns«, warf Mentia ein. »So was kommt vor.«
Iris seufzte. »Das stimmt. Ich glaube mich erinnern zu können, wie Bink auch einmal von sprechenden Sternbildern erzählte. A l lerdings war auf die kein Verlaß.«
»Aber dieses Sternbild hat versucht, mich daran zu hindern, den Philter zu finden! Folglich muß er dort sein, wo ich ihn finden könnte. «
»Verrückte Logik«, warf Mentia ein. »Wie sollen wir den Philter denn finden, nachdem wir schon alles erfolglos abgesucht haben?«
»Das Geheimnis muß in dem Gestein liegen«, meinte Gary. »Ich kann Steine lesen. Ich muß nur den richtigen finden.«
»Meinst du einen Obelisken?« erkundigte sich Iris. »Einen Stein mit einer Inschrift?«
»Nicht unbedingt. Ich brauche lediglich einen Stein, der zur ric h tigen Zeit die richtigen Dinge gesehen hat.«
»Was ist denn das schon wieder für ein Unsinn? Steine können doch nicht sehen!«
»Nicht, wie wir es tun«, bestätigte Gary. »Aber sehen können sie schon, und Wasserspeier können das Gesehene lesen. Aber das ist ein sehr langsamer Vorgang, und er ist völlig sinnlos, wenn der Stein nicht das Gewünschte geschaut hat.«
»Und ist nun genau das Gewünschte?« wollte Iris wissen.
»Der Philter, natürlich. Aber es könnte ebenso schwierig werden, einen Stein zu finden, der ihn gesehen hat, wie den Philter selbst zu suchen. Deshalb will ich erst nach einem Stein suchen, der die alte Stadt auf ihrem Höhepunkt geschaut hat. Vielleicht bekomme ich ja von dem einen Hinweis.«
»Jetzt hör mir mal gut zu«, sagte Iris ungeduldig. »Ist nicht jeder einzelne Stein hier Bestandteil dieser Stadt gewesen? Dann müssen sie doch alle den Philter gesehen haben, oder nicht?«
»Nein, denn manche Steine haben nach innen geblickt. Sie kon n ten nur sehen, was im Innern des Gebäudes vorging; mögliche r weise also nur die Rückseite von irgendwelchen Teppichen, die an den Innenwänden gehangen haben. Und die Mauern, deren Steine nach außen blickten, haben vielleicht nur Seitengassen zu sehen bekommen oder irgendwelche Gegenstände, die man vor ihnen aufgehäuft hat. Ich dagegen brauche einen Stein, der die ganze Stadt geschaut hat, oder wenigstens genug davon, damit ich sie ebenfalls schauen kann.«
»Damit du sie ebenfalls schauen kannst?« fragte Iris zweifelnd. »Mit Hilfe dieser geheimnisvollen Inschrift?«
»Oh, eine Schrift dürfte sich nicht darauf befinden, es sei denn, ein Mensch hat sie angebracht. Nein, ich lese den Stein selbst.«
Iris spreizte die Hände. »Ich
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